Roda Verheyen „Wir alle haben ein Recht auf Zukunft. Eine Ermutigung“
München: dtv Verlagsgesellschaft, 2023
Rezension von Edmund A. Spindler
U.a. in: August 2023: Die Ökologische – Zeitschrift für Hamm
Umweltrecht und Klimaklagen
Am 13. und 30. November 2017 habe ich Roda Verheyen im Oberlandesgericht Hamm bei der Klimaklage „Saúl Luciano Lliuya gegen RWE AG“ als Anwältin des Klägers live erlebt. Ihre Art vor Gericht zu argumentieren, hat mich von Anfang an begeistert. Nun hat sie auch ein Buch über ihre Arbeiten und Kontakte verfasst, das nicht nur Juristinnen und Juristen stark beeindruckt.
Das Manuskript des Buches wurde im November 2022 mit journalistischer Unterstützung von Alexandra Endres abgeschlossen. Es enthält alles, was für Umwelt- und Naturschützer derzeit aktuell und rechtswirksam ist. Es beginnt mit den Sätzen: „Gerichte haben die Aufgabe, Recht durchzusetzen, es aufrechtzuerhalten und denjenigen zu ihrem Recht zu verhelfen, deren Rechtsposition zwar existieren, aber augenscheinlich schwach sind. Mit anderen Worten: Sie haben Menschenrechte zu schützen – und damit letztlich den Planeten als Ganzes.“ (S. 11)
D.h. sie glaubt an die positive, regulierende Kraft des Rechts und möchte mit dem Buch – wie sie am Schluss schreibt – „die dritte Gewalt des Staates, die Judikative, in die Mammutaufgabe Transformation hin zu Treibhausneutralität aktiv einbinden“ (S. 247).
Es ist in der Tat ein Buch, das Mut macht und die Welt mit Hilfe des Rechts und engagierten Richterinnen und Richtern ein Stück besser machen kann (so auch der Buch-Untertitel: „Eine Ermutigung“).
Inhalt
Das 287-seitige Buch enthält einen themenbezogenen „Auftakt“ (8 Seiten), acht ausführliche „Kapitel“ (223 Seiten), einen instruktiven „Ausblick“ (8 Seiten) und kapitelbezogene „Anmerkungen“ (insgesamt 33 Seiten) zu den immerhin [sic!] 267 Quellenbelegen sowie einen achtseitigen „Bildteil“ in der Mitte.
In Kapitel 1 wird die sensationelle und wegweisende Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom März 2021 zum Bundesklimaschutzgesetz abgehandelt. Hierbei geht die Autorin auf die Klagestrategie der Kläger ein und erläutert die Vorgaben des Pariser Abkommens sowie die Hintergründe des 1,5 Grad-Ziels als „Maßstab“ für eine gelungene Klimapolitik weltweit.
In Kapitel 2 werden die Menschenrechte als Grundlage von Klimaklagen thematisiert und die Klage von Schweizer Seniorinnen und von portugiesischen Kindern und Jugendlichen vorgestellt.
In Kapitel 3 geht die Autorin auf die aufsehenerregende Klimaklage des peruanischen Bergführers Saúl Luciano Lliuya gegen die RWE AG am OLG Hamm ausführlich ein und erläutert das Klagekonzept aus der „Attributionsforschung“ und dem „Carbon Majors Report“. Da dieser Präzedenzfall mit dem Vorsitzenden Richter Dr. Rolf Meyer noch läuft, wird Frau Verheyen bald wieder mal in Hamm sein (Aktuelles zu diesem Fall unter: www.RWE.climatecase.org).
In Kapitel 4 geht es um grundsätzliche Fragen zur Fortentwicklung des Rechts sowie um die Inhalte von Umwelt- und Klimaklagen aus der Sicht der weltweit gültigen Menschenrechte.
In Kapitel 5 sind die Fälle der EU-Klimaklagen zu „People‘s Climate Case“, und das „Urgenda-Verfahren“ in den Niederlanden ein Thema. In diesem Kernstück des Buches wird die juristische Exzellenz der Autorin und ihre Verankerung in der Umweltschutzszene überdeutlich.
In Kapitel 6 wird im Wesentlichen ein Menschenrechtsfall aus den Philippinen vorgestellt und die Gerechtigkeitsfrage gestellt.
In Kapitel 7 werden die Klimaklagen gegen die Konzerne Shell und VW ausführlich behandelt.
In Kapitel 8 geht es um einen Naturschutzfall aus Kolumbien, um die Frage nach Eigenrechten für die Natur und um den sogenannten „Ökozid“ als eine irreversible Umweltzerstörung, die als Verbrechen geahndet werden könnte.
Im Buch ist nicht oberflächlich von Klimawandel die Rede, sondern (deutlicher) von „Klimakrise“ (S. 9). Denn mit Hilfe der Gerichte sollen der CO2-Ausstoß deutlich reduziert, Öl, Kohle und Gas gestoppt und die natürlichen Treibhausgassenken, wie Wälder, Böden und Moore, dauerhaft geschützt werden. Die Autorin macht das klassische Umweltrecht zu einem „Transformationsrecht“ (S. 27). Den globalen Budgetgedanken, das Vorsorge- und Präventionsprinzip des Umweltrechts und die Menschenrechte sind die Werkzeuge für ihre Klimaklagen. Mit diesen Universalschlüsseln macht ihr niemand so schnell etwas vor, wenn es um Klimaklagen geht! Explizit fordert sie eine „Ende der Wachstumslogik“ (S. 228). Ihr Credo lautet: In Deutschland und weltweit gibt es langfristig sichere Arbeitsplätze „nur mit echtem Klimaschutz“ (S. 212).
Fazit
Das Buch ist eine „Momentaufnahme“ (S. 244) zu den vielen tausend Klimaklagen, die weltweit zu beobachten sind. Roda Verheyen ist mit ihrem exzellenten juristischen Netzwerk an vielen Klimaklagen beteiligt und sie analysiert die Fälle in ihrem 2019 gegründeten Verein „Green Legal Impact“ u.a. zur Weiterbildung von Juristinnen und Juristen (www.greenlegal.eu). Sie bringt das Recht mit der Wissenschaft zusammen und betreibt eine evidenzbasierte Juristerei im Sinne der Nachhaltigkeit. Und sie macht Druck!
Als zielstrebige, eloquente (Deutsch, Englisch, Französisch, Norwegisch und Spanisch sprechende) Juristin mit einem hohen Gerechtigkeitsgefühl und ökologischer Expertise gehört sie zur internationalen Rechtsanwaltsszene der Extraklasse.
Wir können froh sein, dass wir in Deutschland eine Top-Juristin wie Roda Verheyen haben, die uns aufklärt und nachvollziehbar erklären kann, was eine „Klimaklage“ ist und wie wir unser Recht zum Überleben auf der Erde nutzen können. Ihre Professionalität ist legendär. Ihr Name setzt Klima- und Umweltschützer mittlerweile in Verzückungen und lässt Politiker und Wirtschaftsbosse zittern. Für ihr Engagement wurde sie als „Schönauer Stromrebellin 2021“ ausgezeichnet. Darüber hinaus ist sie seit Kurzem ehrenamtliche Richterin am Hamburgischen Verfassungsgericht – Grund genug, sie als Juristin in allerhöchsten Tönen zu loben und ihr Buch als Pflicht-Lektüre dringend zu empfehlen!
Edmund A. Spindler | Nansenweg 3 | 59077 Hamm |
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