von Marcos A. da Costa Melo
in: FUgE news Ausgabe 2/2023 „25 Jahre FUgE“
https://fuge-hamm.org/2023/04/01/fuge-news-ausgabe-02-2023
Die Kurzgeschichte eines Brasilianers in Hamm
Marcos A. da Costa Melo
Geboren bin ich 1965 in Recife. Wir waren zwölf Personen in einem Häuschen in einer Vorstadt dieser 1,6-Millionen-Menschen-Metropole an der atlantischen Küste im Nordosten Brasiliens. Wenige von uns haben einen Berufsabschluss geschafft. Während meines Lehramtstudiums der Geschichte lernte ich meine deutsche Frau kennen und zog mit ihr Ende der 80er Jahre nach Deutschland. Mitte der 90er schloss ich meinen Magister der Geschichtswissenschaft an der Uni Bielefeld ab und arbeitete dann als Referent für Auslandsprojekte beim Welthaus Bielefeld. Erst 2005 kam ich zum FUgE, um das Projekt „Wasserwelten“ zu leiten. Viel Erfahrung brachte ich aus meiner Arbeit als Bildungsreferent für Schulworkshops und Straßenaktionen der Initiative ART at WORK mit. Themen wie virtuelles Wasser, Soja- Import, Dürre, Wasserprivatisierung, die Diskussion über den Bau eines Lippesees in Hamm, die Ausstellung „Wasser ist Zukunft“ im Maxipark und das Wassertragen auf dem Kopf im Rahmen von Schulaktionen prägten das Bild des Projektes.
2006 übernahm Eva Sieglin die Leitung des Wasserwelten-Projektes und ich die Promotorstelle für entwicklungspolitische Arbeit in der Hellwegregion. Meine Aufgabe bestand vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit und Vernetzung des Engagements für den Eine-Welt- Gedanken, beispielsweise durch Beratung, Antragstellung und Durchführung von Veranstaltungen der regionalen Initiativen. Im Vordergrund stand die Vermittlung von Referent* innen, Bildungsmaterialien und Ausstellungen. Die Erfahrungen des jungen FUgE-Netzwerks waren für alle sehr wertvoll und wir lernten viel voneinander.
Neben der Unterstützung der lokalen Eine-Welt-Initiativen entwickelten wir als FUgE-Netzwerk viele Bildungsprojekte und eigene Ausstellungen, besonders nennenswert sind die Erlebnis-Ausstellung „Komm mit nach Afrika!“ (2011) und „Planet Gericinó: Vom Müll leben“ (2018).
Gründung von LIGA und LiNet
Mit Freude erinnere ich mich auch an meinen Einsatz bei der Gründung von LIGA (Lüner Initiative gegen globale Armut) mit Ulrich Weber 2008, von LiNet (Lippstädter Netzwerk) mit Angelika Balmes und Katharina Schulte-Repel 2009 oder von Yes Afrika mit Nelli Soumaoro und Yemi Ojo 2013, was bis heute Früchte trägt. Unvergesslich waren die Afrika-Tage mit Referent*innen aus dem Kontinent, Peru-Abende mit dem „Haus Hamm“ und Brasilien-Foren mit Dr. Thomas Fatheuer, Anália Aparecida da Silva (Tuxá-Volk) und Igor Birindiba Batista.
Interkulturpromotor im RB Arnsberg
Seit 2019 bin ich als Interkulturpromotor im ganzen Regierungsbezirk Arnsberg unterwegs und vernetze mich mit migrantischen Initiativen und Geflüchteten weiter. Sie werden in unsere Bildungsarbeit eingebunden, um komplexe Hintergründe von Rassismus, Flucht und Migration auch persönlich zu beleuchten. Zahlreiche Workshops über Kinderarbeit in Pakistan mit Muhammad Waqas, die Foren mit Amanda Luna aus Peru sowie die Umwelt-Work shops mit Oumar Diallo aus Guinea/Conakry und Mahmoud Ez Aldin aus Syrien haben mein Verständnis für Rassismus, Flucht und Migration erweitert.
Wertvoll sind die Audio-Aufnahmen von unseren Referent*innen zu Afghanistan, den Philippinen, Kenia, Kolumbien, Iran, Simbabwe, Syrien, Russland und der Ukraine, die unter der Leitung von Claudia Wegener stattfanden. Hervorragend war unter anderem die Aufnahme der Lesung von Hermann Schulz mit Joseph Mahame, da sie eine transkulturelle Begegnung ermöglicht hat.
Flucht und Migration
Diese Events haben in diesen knapp fünf Jahren meine Sicht der wirtschaftlichen und politischen Zwänge, Flucht und Krieg im globalen Süden sowie der verschiedenen Kulturen und Religionen in der Region erweitert. Damit wurde auch die interkulturelle Kompetenz des FUgE-Netzwerks ausgebaut. Eine Reihe von Filmforen mit O-Tönen aus den Ländern des Südens wie „Made in Bangladesh“ mit Abdul Hai aus Bangladesch, „Welcome to Sodom“ mit Ali Idriss aus Ghana oder „Roads“ mit Oumar Diallo aus Guinea werden insbesondere wegen ihrer persönlichen Geschichte zu den jeweiligen Themen die Interkultur im RB Arnsberg weiterhin prägen.
Nach dem Forum „Auf den Spuren des Kolonialismus in Hamm“ mit Ute Knopp (Stadtarchiv) und Dr. Maria Perrefort (Gustav-Lübcke-Museum) im Februar 2022 und den dazugehörigen Workshops von Serge Palasie (Eine Welt Netz NRW) in Hammer Schulen rückten die kolonialen Kontinuitäten in den Mittelpunkt meiner Interkulturarbeit. Postkolonialismus wird neben den Themenbereichen Flucht, Klima und Demokratie die Zukunft der Interkulturstelle bestimmen. Wie ich meinem brasilianischen Mitstreiter und Freund Guilherme Miranda gegen seine Resignation sage: A luta continua!
Die Promotorstelle für interkulturelle Öffnung im RB Arnsberg wird von der Landesregierung NRW im Rahmen des Promotor*innen-Programms gefördert.