Kolonialismus und Rassismus im Fußball – Ronny Blaschke in Hamm

Marcos Antonio da Costa Melo
In: FUgE-News 2/2024

Mit zwei Schul- und einer Abendveranstaltung nahm das Thema Kolonialismus und Rassismus im Fußball zwischen dem 21. August und 10. September eine wichtige Rolle im Veranstaltungskalender von FUgE ein.
Sie fanden im Rahmen der Interkulturellen Woche Hamm und des Projektes des Eine Welt-Netz NRW „Koloniale Kontinuitäten überwinden“ statt. Ohne die freundliche Unterstützung der Werkstadt für Demokratie und Toleranz sowie des Kommunalen Integrationszentrums Hamm und des Promotor*innen- Programms für interkulturelle Öffnung im Regierungsbezirk Arnsberg wäre dies nicht möglich gewesen.
Den Auftakt machten wir am Märkischen Gymnasium mit einem zweitägigen Workshop anlässlich des interkulturellen Einführungstages in der Schule. In Kooperation mit dem Hammer Netzwerk rassismuskritischer Arbeit befassten sich die Veranstaltungen mit den rassistischen Denkmustern des Fußballs seit der Kolonialzeit. Schwarze Menschen gelten etwa als kraftvolle athletische Spieler, aber als Vorstände, Trainer oder Trainerinnen erhalten sie kaum Chancen. Die weltweite Verbreitung des Fußballs beispielsweise ist ohne den Kolonialismus nicht zu verstehen, so Blaschke.
Am 10. September folgte dann eine ebenso eindrückliche Veranstaltung im Franziskus Berufskolleg mit rund 80 Schüler*innen und eine Abendveranstaltung in Kooperation mit der Hammer Spielvereinigung (HSV) in den Vereinsräumlichkeiten, die von ca. 35 Gästen ebenfalls sehr gut besucht war.

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Ronny Blaschke in seinem Vortrag am 10. Sept. 2024 im Sankt-Franziskus-Berufskolleg Hamm

In einem Interview wertet er die Stationen in Hamm:
Wie bewerten Sie Ihren Einsatz bei uns in diesen Tagen in Hamm?
Ronny Blaschke:
Ich finde es sehr wichtig, dass das Märkische Gymnasium das Schuljahr mit einer solchen interkulturellen Woche einleitet. Und gerade der Fußball bietet eine Möglichkeit, dass junge Menschen sich auf andere, mitunter spielerische Art dem Thema Rassismus nähern. Häufig nehmen Schüler*innen das Thema als abstrakt wahr.
Wie machen Sie das Thema Rassismus im Fußball fassbar?
Blaschke:
Wenn Schüler*innen von konkreten Beispielen aus ihrem Lieblingsverein und damit auch aus ihrer direkten Umgebung hören, dann können sie darauf konstruktiver reagieren. Wichtig ist auch, dass sie die Ursprünge des Fußballs reflektieren.
Wie bringen Sie die Geschichte des Fußballs mit Rassismus zusammen?
Blaschke:
Ohne den Kolonialismus wäre die globale Verbreitung des Fußballs nicht denkbar gewesen. Bis heute wirken im Sport Jahrhunderts alte Stereotype nach. Viele Menschen glauben etwa, dass weiße und schwarze Fußballer unterschiedliche Veranlagungen haben.
Verlieren die Fans mit dieser Geschichte die Leidenschaft für den Fußball?
Blaschke:
Zurecht feiern viele Fans die Vielfalt ihrer Lieblingsteams. Wir sollten aber auch darauf hinweisen, dass die Führungsgremien der Klubs und Verbände überhaupt nicht divers sind. Es wäre sehr wichtig, dass das MGH an seiner Tradition anknüpft und auch im kommenden Jahr wieder eine interkulturelle Woche abhält. Und auch die Sportvereine in Hamm haben die Verantwortung, das Thema Antirassismusimmer und immer wiederanzugehen.

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Rezession:
Spielfeld der Herrenmenschen – Kolonialismus und Rassismus im Fußball
Karl A. Faulenbach
Bisher war die landläufige Meinung, dass gerade der Fußball mit seiner internationalen Verbreitung und Bedeutung insbesondere als Integrationsvorreiter eine herausragende Rolle spielen würde. Wer dieses Buch von Ronny Blaschke liest, wird eines Besseren belehrt.
Seine These: Das System (Fußball) ist der Skandal, nicht der Einzelfall. Dies belegt er an vielen Beispielen von Mannschaften, Spielen aus fast allen Ländern dieser Erde und nicht nur aus Europa. Denn die Verbreitung des Fußballs ohne den Kolonialismus wäre nicht möglich gewesen. Der Autor zeigt an vielen Beispielen den Rassismus und Kolonialismus mit Langzeitfolgen bis hin zu der Erkenntnis, dass Fußballer aus dem globalen Süden in den europäischen Fußballklubs insbesondere wegen ihrer Schnelligkeit und Dribbelkünste vorrangig auf bestimmten Positionen im Sturm, aber so gut wie nie als Spielmacher eingesetzt werden.
Auch die Sportmedien verbreiten entsprechende Klischees von Sportlern unterschiedlicher Hautfarbe. Seine intensiven Recherchen über die Geschichte des Fußballs in Ländern des globalen Südens wie in Afrika oder Indien belegen einen kaum noch vorstellbaren Rassismus der europäischen „Herrenmenschen.“
In seinem Ausblich und Schlusskapitel „Decolonize Football“ bezieht er sich auf einen Dreistufenplan der FIFA: „Bei rassistischen Vorfällen im Stadion sollen nach einer ersten Warnung durch den Stadionsprecher im zweiten Schritt eine Spielunterbrechung und im dritten Schritt das vorzeitige Ende erfolgen.“
Bisher ist dieser Plan leider nicht umgesetzt worden, und die rassistischen Beleidigungen in den Stadien hören nicht auf.
Wer Fußballfan ist, sollte dieses Buch unbedingt lesen.
Ronny Blaschke: Spielfeld der Herrenmenschen – Kolonialismus und Rassismus im Fußball Bielefeld 2024 (Verlag Die Werkstatt) 22,00 Euro