Marcos Antonio da Costa Melo
In: FUgE-News 2/2024
Dank der Interkulturstelle und ihrer Netzwerkarbeit fanden zwischen Mai und November 2024 rund 35 Beratungsrunden mit regionalen Akteuren und über 15 Veranstaltungen statt. Einige dieser Events möchte ich chronologisch hier hervorheben.
Hervorragend war die Resonanz auf die Ausstellung „Wegwerfgesellschaft“ im Rahmen der Ruhr International in der Jahrhunderthalle Bochum vom 25. bis 26.05.2024. Die Veranstaltung wurde von mehr als 20.000 Gästen besucht. Die FUgEWanderausstellung vergleicht den Umgang mit Müll in Brasilien und Deutschland, weist aber auch darauf hin, wie wir Müll vermeiden können und wie der Weg zur Kreislaufwirtschaft aussieht.
Einem Publikum von ca. 200 Interessierten wurden die Fotos von Recycler*innen aus Rio de Janeiro des Fotografen Micha Ende präsentiert und Grafiken mit umfassenden Infos, die sich mit den Folgen der modernen Konsumgesellschaft beschäftigten. Jeder Mensch in den Industrie – ländern produziert eine Viertel Tonne Müll im Jahr. Etwa ein Drittel davon wird für die Stromerzeugung verbrannt oder in offenen Deponien abgelagert. In vielen Ländern des Südens sind offene Halden zugleich Arbeitsplatz als auch Lebensraum von Menschen. Die Aktion fand auf Initiative von Bunmi Bolaji, Interkulturpromotor für das Ruhrgebiet von DARF e.V., statt.

Ein weiterer Höhepunkt war der Gedenktag „Das Licht des Jesidentums“ am 03.08.2024 im Haus Caldenhof Hamm. Anlässlich des 10jährigen Völkermords an den Jesiden in Schingal/Irak stellte Sebar Alpeso Ausschnitte aus ihrem Buch „Hinter dem Wort Krieg“ Dokumentationen, Ansätze des Jesidentums und jesidische Musik vor. Abschließend zündete die Community Kerzen an. Die rund 100 Gäste und die Jesiden-Diaspora, die an der Zeremonie teilnahmen, waren von der Veranstaltung sehr bewegt.
Zur spannenden Veranstaltungsreihe „Kolonialismus und Rassismus im Fußball“ mit Ronny Blaschke zwischen dem 21. August und 10. September berichte ich gemeinsam mit der Rezension von Karl Faulenbach zum gleichnamigen Buch ausführlicher im nachfolgenden Artikel.
Abwechslungsreich war die Theatergruppe Schluck & weg der BUKO-Pharma-Kampagne am 02.09.2024, die mit ca. 300 Schüler*in nen des Elisabeth-Lüders- Berufskollegs Hamm vernachlässigte Tropenkrankheiten humorvoll thematisierte. Im Fokus standen Krankheiten wie Leishmaniose, Schistosomiasis oder das Trachom, die Millionen von Menschen weltweit betreffen.
Am 12.09.2024 bezauberte der Spielfilm „ZER“ von Kazim Öz durch die Geschichte des Musikers Jan und die Auseinandersetzung mit der Identität Kurdistans. Es ging um die Geschichte des in New York aufgewachsenen Musikers Jan, der seiner Großmutter Zarife näherkommt. Nach ihrem Tod macht er sich auf eine Reise nach Dersim/Türkei, um seine kurdischen Wurzeln zu finden. Der Film bewirkte einen bewegenden Gedankenaustausch zwischen den rund 20 Gästen und den Aktiven der Alevitischen Gemeinde, FUgE-Mitgliedern und der Herringer Impuls:Werkstatt.
Koloniale Kontinuität prägte die Lesung „Therese – Das Mädchen, das mit Krokodilen spielte“ mit Hermann Schulz am 01.10. in der Buchhandlung Holota, Hamm, und am 08.10.2024 im Allerwelthaus Hagen. Hermann Schulz erzählte die außergewöhnliche Lebensgeschichte von Therese, die er 1977 in einem Supermarkt in Lomé/Togo zufällig kennenlernt. Im Gespräch mit Schulz blickte Therese damals auf ihr Leben in Deutschland, das von Kolonialismus, Völkerschau und Nationalsozialismus geprägt war, zurück. Dies wurde Grundlage seines Romans.
Abschließend in diesem Berichtszeitraum fand am 31.10.2024 für rund 150 Schüler*innen des Elisabeth-Lüders-Berufskollegs Hamm das Theaterstück „Questions!“ statt. Es ist eine Gemeinschaftsproduktion vom Cactus Junges Theater Münster und Tete Adehyemma Dance Theater & Youth Home Cultural Group aus Ghana.
Das Theaterstück ist auf der einen Seite durch ausdrucksstarke Musik und Tanz geprägt, auf der anderen Seite durch die intensive Auseinandersetzung von Zukunftsentwürfen der jungen Generation aus Ghana. Hierbei wurden auch Themen wie Kolonialismus, Postkolonialismus und die damit verbundenen Auswirkungen auf unsere heutigen Beziehungen angesprochen. Die Schauspieler*innen machten sich auf die Suche nach Projekten für eine gemeinsame, von gegenseitigem Respekt getragene Zukunft. Im Fokus steht der Dialog zwischen König Naa Andani, König von Dagbon im Norden des heutigen Ghanas, und den Kolonisatoren. Der König war 1894 nicht bereit, unter der Flagge einer fremden Macht zu leben. Auch die Deutschen versuchten, in der Region Fuß zu fassen. Im Jahr 1896 versuchte Dr. Grunner in Yendi einzudringen, doch Naa Andani verweigerte ihm die Durchreise durch das Königreich. Die Schlacht von Adibo forderte später schwere Verluste auf beiden Seiten. Zukunft und Gegenwart mischen sich in Questions mit voller interkultureller Leidenschaft hin zu einem Bruch der kolonialen Kontinuität.
Ausführliche Infos zu den o.g. Interkulturveranstaltungen und zur Vortragsreihe von Dr. Gilles Reckinger im November unter www.fuge-hamm.org/interkulturarbeit- im-rb-arnsberg
CPP-Leiter aus Recife/Brasilien in Hamm
Lebe deinen Traum – Leiter des Straßenkinderprojekts besucht die Marienschule
Renate Brackelmann
In einer Familie zu leben, die Schule besuchen, eine Ausbildung machen und sein eigenes Leben zu gestalten ist in vielen Ländern für Kinder und Jugendliche leider keine Selbstverständlichkeit. Selbst in einem reichen Land wie Brasilen ist dies für viele Menschen ein unerfüllbarer Traum.
So leben in der Millionenstadt Recife 60 % der Menschen in Armenvierteln oder sogar auf der Straße. Der Kampf um das tägliche Brot, Gewalt und Diskriminierung bestimmen den Alltag vieler Kinder und Jugendlicher. Der Staat bietet an dieser Stelle nur wenig Hilfen an.
Daher hat sich vor fast 40 Jahren Demetrius Demetrio auf den Weg gemacht, diesen Kindern zu helfen. Er ist zu ihnen auf die Straße gegangen, hat mit ihnen gesprochen und sie medizinisch versorgt. Aus diesem Engagement ist über die Jahrzehnte das vielfach ausgezeichnete Projekt „Die Gemeinschaft der kleinen Propheten“ (CPP) geworden.
In einem großen Haus in der Innenstadt von Recife bekommen jeden Tag über 80 Straßenkinder eine warme Mahlzeit, die Möglichkeit zu duschen sowie medizinische und psychologische Betreuung. Es gibt verschiedene Freizeitangebote, wie Fußball und Musikgruppen und vor allem Alphabetisierungskurse, wo die Kinder und Jugendlichen lesen und schreiben lernen können.
Auf dem Dach des Hauses gibt es einen 400 Quadratmeter großen Garten, wo Gemüse angebaut wird, das in der eigenen Küche weiterverarbeitet wird. So lernen die Kinder aber auch deren Mütter viel über gesunde Ernährung und dessen Zubereitung. Sogar das Brot wird im Haus selber gebacken.
In weiteren Projekten für Erwachsene lernen Frauen nähen und Kompost herzustellen. All dies soll ihnen einen Weg aus ihrer schwierigen Situation des Hungersund der Armut aufzeigen.
Die Marienschule setzt sich schon seit mehr als 30 Jahren für dieses einmalige Projekt ein und freut sich immer sehr, wenn Demetrius sie besucht. So konnte dieses Mal rund die Hälfte der Schulgemeinschaft Demetrius direkt kennenlernen und seinem Bericht über den Hunger, die Diskriminierung, aber auch über Erfolge und Hoffnung folgen. Anschließend blieb noch Zeit für jede Menge Fragen.
Als Übersetzer half Marcos da Costa Melo, selber gebürtiger Brasilianer aus Recife, der in Hamm als Interkulturpromotor bei dem Verein FUgE (Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung) arbeitet. Marianne Möller vom „Förderverein Straßenkinder in Recife e.V.“ konnte Fragen nach der finanziellen Unterstützung beantworten.
Abgerundet wurde der Besuch mit einem gemeinsamen Mittagessen, bei dem neben der Schulleitung auch Mitglieder der Fairtrade-School- Steuerungsgruppe teilnahmen.
Alle waren sich sicher, dass sich ihr Engagement lohnt und die finanzielle Unterstützung bei Demetrius in guten Händen ist, um dem einen oder anderen Kind den Traum von einem selbstbestimmten, sicheren Leben näher zu bringen.
Das Promotor*innen-Programm für interkulturelle Öffnung wird von der Landesregierung NRW gefördert.