14.11.2018: Lippe-Aufruf für eine mutige Politik

„Wir müssen aufhören den Planeten zu ruinieren.“
Lippe-Aufruf für eine mutige Politik
Mittwoch, 14. November 2018, 15 Uhr
FUgE-Weltladen, Widumstr. 14, Hamm
Siehe LIGA-FUgE-Erklärung
als PDF HIER und
unten als HTML

Zum Pressegespräch:
Die Netzwerke FUgE Hamm (Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung e.V.) und LIGA Lünen (Lüner Initiativ gegen globale Armut e.V.) gemeinsam mit einem regionalen Unterstützerkreis von kirchlichen Organisationen, Gewerkschaften sowie Natur- und Umweltschutzverbänden stellen im Pressegespräch am Mittwoch, 14. November 2018 im FUgE-Weltladen den Lippe-Aufruf für eine mutige Politik „Wir müssen aufhören den Planeten zu ruinieren. Setzt endlich Grenzen!“ vor.

Wir alle wissen, dass unsere Lebensgrundlagen vielfach bedroht sind: Extremwetter, steigender Meeresspiegel, Schwund der Artenvielfalt, Hunger und Not, Plastikmüll in den Weltmeeren und Mangel an Trinkwasser. Wir wissen auch, dass wir in den Industrieländern zu viele Ressourcen verbrauchen, das Klima anheizen und kontinuierlich unsere Ökosysteme zerstören. Angesichts dieser Herausforderungen halten die Netzwerke die Umwelt- und Klimapolitik der Bundesregierung, der NRW-Landeregierung und der EU der vergangenen Jahre für mut- und verantwortungslos:
>> Deutschland hinkt bei allen Klimazielen weit hinterher: Eine klimafreundlichere Energiepolitik in der EU scheitert an Deutschland.
>> Die gefährlich hohen Umweltbelastungen in Städten mit Feinstäuben und Stickoxyden werden nicht abgestellt und die Gesundheit der Bürger/innen nicht wirksam geschützt.
>> Der Automobilindustrie werden seitens der Bundesregierung nur schwache Klimavorgaben gemacht, während andere Länder im Norden Europas das Ende des Verbrennungsmotors vorbereiten.
>> Naturzerstörung und Ressourcenverbrauch sind in Deutschland weitgehend zum Standard der Politik geworden (Flächenverbrauch, Verkehr, Lebensmittel etc.).
>> Immer häufiger muss die EU einschreiten, weil Deutschland umweltpolitische Ziele verfehlt und Grenzwerte überschreitet.
>> Gesetzliche Standards im Klima- und Umweltschutz können oftmals nur durch Gerichtsentscheide durchgesetzt werden (Feinstäube, Stickstoffdioxid, Nitrat, Elektroschrott).
>> Das exportorientierte Landwirtschaftsmodell Deutschlands führt bei uns oftmals zur Massentierhaltung, einem hohen Einsatz von Pestiziden, zusätzlichem Flächenverbrauch und Monokulturen.
>> EU-Billigimporte zerstörten zudem die kleinbäuerlichen Strukturen und behindern den Aufbau einer Weiterverarbeitung in den Ländern des Südens.

Aus der Sicht der Netzwerke geht Deutschland mit einer Politik voran, die gegen jede Vernunft, gegen gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Bedürfnisse kommender Generationen und auf Kosten ärmerer Länder ist.

Bürgerinnen und Bürger, die sich bemühen, ihren Lebensstil zu verändern, den ökologischen Fußabdruck zu verkleinern und so verantwortungsvoll mit Natur und Ressourcen umzugehen, müssen in diesem Bestreben von der Politik unterstützt werden. Die Politik hat daher verbindliche Regeln festzulegen, um dem zerstörerischen Konsumverhalten Grenzen zu setzen und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu sichern. Dabei soll nicht Wachstum der alles bestimmende Faktor sein, sondern der Schutz von Klima und Umwelt. Mut, Vernunft und Verantwortung braucht man im Umgang mit der Automobilindustrie und beim Abschalten von Kohlekraftwerken.

Die Netzwerke erwarten eine deutlich ambitioniertere Klimapolitik, die verbindliche Regeln setzt, damit eine radikale Wende in der Verkehrs- und Agrarpolitik stattfindet und gegenüber den Ländern des Südens eine faire und gerechte Handelspolitik gelingt.
Die mit der Erklärung verbundenen Ansätze werden die inhaltliche Arbeit der beiden Netzwerke in den kommenden Jahren in der Hellwegregion prägen.
FUgE – Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung e.V.
LIGA – Lüner Initiativ gegen globale Armut e.V.
c/o Dr. Ulrich Weber, Parkstrasse 5, 44534 Lünen
Unterstützt durch
=> Arbeitskreis Umwelt und Heimat Lünen
=> BUND e.V. Hamm
=> BUND e.V. Bergkamen, Lünen, Selm, Werne
=> DGB Kreis Hamm
=> Ev. Kirchengemeinde Horstmar-Preußen
=> Evangelischen Kirchenkreis Hamm
=> Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB), Bezirk Hellweg-Sauerland
=> Kath. Pfarrgemeinde St. Marien Lünen
=> NABU e.V. Hamm
=> NaturFreunde e.V. Hamm
=> Presbyterium der Ev. KG Brambauer

Gesamter Lippe-Aufruf für eine mutige Politik

„Wir müssen aufhören den Planeten zu ruinieren.
Setzt endlich Grenzen!“


Lünen/Hamm, November 2018

 Wir müssen aufhören den Planeten zu ruinieren.
Setzt endlich Grenzen!

„Es gibt uns (die Menschen) schon seit vielen Hunderttausend Jahren, aber ich glaube, in den nächsten hundert Jahren wird die Entscheidung fallen, ob die Menschheit mit den Möglichkeiten dieses Globus zurechtkommt – oder nicht.
Eigentlich reden wir in der Ökologie darüber, ob das Experiment Menschheit gelingt oder ob es misslingt“. (Erhard Eppler, Zeit ONLINE 2016)

Wir sind dabei unseren Planeten zu ruinieren. Globale Erderwärmung, Anstieg des Meeresspiegels, Überfischung, Plastikmüll in den Weltmeeren, Artensterben, Abholzung der Tropenwälder, Überdüngung, Massentierhaltung, Mangel an Trinkwasser. Wir in den Indust-rieländern leben seit Jahren über unsere Verhältnisse. Wir verbrauchen viel mehr Ressourcen als uns zustehen und verträglich sind, wir beuten Natur und Mitmenschen gnadenlos aus, ver-ursachen irreparable Schäden – zulasten künftiger Generationen.

Die Politik in Deutschland versagt weitgehend gegen die drohende Klima- und Umweltkatastrophe. Die Regierenden, allen voran in Berlin, drücken sich davor, deutliche Signale und ein klares Bekenntnis zum Umwelt- und Klimaschutz und damit zum Erhalt unserer Lebensgrund-lagen abzugeben.
Deutschland galt lange Zeit als Vorreiter beim Umweltschutz. Das ist vorbei. Immer häufiger schreitet die EU ein, weil Deutschland umweltpolitische Ziele verfehlt und Grenzwerte missachtet:
>> Grundwasser: Deutschland verstößt gegen EU-Recht (EuGH-Urteil). Das Grundwasser ist zu stark mit Nitrat belastet.
>> Feinstäube, Stickstoffdioxid: Die Kommission hat Deutschland vor dem EuGH verklagt, weil die Bundesregierung das Problem mit der schlechten Luft nicht in den Griff be-kommt. In 65 deutschen Städten werden die Grenzwerte für Stickstoffdioxid deutlich überschritten. Deutschland drohen hohe Zwangsgelder.
>> Infrastruktur: Die Kommission rügt, dass Deutschland die europäische Richtlinie zum Aufbau von Elektro-, Gas- und Wasserstofftankstellen rechtlich nur unzureichend umgesetzt hat. Die EU-Vorschrift soll die Infrastruktur für Fahrzeuge mit alternativen Kraftstoffen verbessern.
>> Massentierhaltung: Der Grenzwert für Ammoniak wird überschritten. Das Gas gelangt vor allem durch die Landwirtschaft aus Ställen und aus ausgebrachter Gülle in die Umwelt.
>> Verpackungsmüll: In Deutschland wird inzwischen der meiste Verpackungsmüll in ganz Europa produziert. Auf Druck aus Brüssel soll nun ein Umdenken beginnen.
>> Elektroschrott: Ein Großteil der Altgeräte wird illegal entsorgt oder ins Ausland gebracht. Deutschland verfehlt EU-Mindestvorgaben. EU-Ziel für 2019 (65 % Elektroschrott müssen eingesammelt werden) droht deutlich verfehlt zu werden.

Die Politik in Deutschland hat Naturzerstörung und Ressourcenverschwendung aber auch in vielen anderen Handlungsfeldern weitgehend zum Standard gemacht. Dazu einige Beispiele: exzessive Förderung des Straßenbaus und der Flughäfen, Zersiedlung der Landschaften, Dienstwagenprivileg, geringe oder keine Mautgebühren, keine Besteuerung des Kerosins etc.vVersäumnisse und Herausforderungen an die Politik werden sehr deutlich in den für unsere Zukunftsfähigkeit entscheidenden Feldern der Klima-, Verkehrs-, Agrar- und Handelspolitik.

Welchen Beitrag muss die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode leisten, damit das „Experiment Menschheit gelingt“?

=> Klimaschutz und Energiewende
Auf internationaler Ebene präsentiert sich die Bundesregierung als Vorkämpferin gegen die Erderwärmung. In Deutschland jedoch blieben die Treibhausgasreduktionen jahrelang unverändert und die Klimaziele werden verfehlt. Das Klimaziel Deutschlands, bis 2050 weitgehend treibhausneutral zu sein, ist in weiter Ferne. Einen konkreten, detaillierten Plan, wie es erreicht werden kann, bleibt die Bundesregierung bis heute schuldig.
Unsere Forderungen:
>> Erderwärmung deutlich unter zwei Grad anstreben.
>> Klimaschutzziele für 2020 einhalten.
>> Klimaschutzziele für alle Sektoren, auch Verkehr und Landwirtschaft vereinbaren.
>> Einsatz fossiler Brennstoffe bis 2040 beenden; endgültiger Ausstieg aus der Kohleverstromung jetzt festlegen.
>> Ausreichend hohe (Mindestpreise) und langfristig angelegte CO2 Abgabe auf fossile Energieträger.
>> Finanzhilfen für Klimaschutz zur Unterstützung ärmerer Länder auf 8 Mrd. Euro aufstocken.

=> Verkehrswende
Der Verkehrssektor ist der einzige Sektor, in dem die Treibhausgasreduktionen im Vergleich zu 1990 nicht zurückgegangen, sondern sogar noch gestiegen sind.
Unserer Forderungen:
Bis 2035 eine CO2-freie Mobilität anstreben durch
>> Festlegung eines Enddatums für Autos mit Verbrennungsmotoren,
>> Ausbau umweltfreundlicher Verkehrsmittel (Fahrrad, Bus, Bahn) (vgl. ausführlich Studie des Wuppertal Institut: Verkehrswende für Deutschland: Der Weg zu CO2-freien Mobilität bis 2035, Hamburg 2017).

=> Agrarwende
EU-Agrarprodukte zu Dumpingpreisen überfluten die Märkte Afrikas, Asiens und Lateinamerikas und zerstören so die Lebensgrundlage von Millionen von Menschen. Unser Überschuss wird zudem auf Kosten der Ressourcen und der Fläche in den Ländern des globalen Südens produziert, die den Menschen dort für den Anbau ihrer Lebensmittel fehlen.
Unsere Forderungen:
>> Abkehr von der exportorientierten, industrialisierten Landwirtschaft,
>> Umbau zu einer ökologischen und tiergerechten Landwirtschaft, die den Bäuerinnen und Bauern hier und in den sich entwickelnden Ländern faire Arbeits- und Lebensbedingungen ermöglicht.

=> Faire Handelspolitik
Auf Druck der EU und unterstützt durch die Bundesregierung sind die afrikanischen Länder nach wie vor gezwungen, ihre Märkte zu öffnen und auf Zölle zu verzichten. Die EU-Billigimporte zerstören die kleinbäuerlichen Strukturen und behindern den Aufbau der Weiterverarbeitung. Der Handel vor allem mit dem afrikanischen Kontinent muss auf eine faire Basis gestellt werden.
Unsere Forderungen:
>>
Verzicht auf Handelsverträge, die eine Marktöffnung erzwingen.
>> Zulassen von Schutzmechanismen (z.B. Zölle) gegen EU- Billigimporte.
>> Unterstützung beim Aufbau einer afrikanischen Freihandelszone.
Finanzielle Mittel für die Unterstützung von Landwirtschaft, Fischerei und Kleinindustrie wirken effektiver und nachhaltiger als Milliarden an die Regierungen Afrikas für die Grenzsicherung zu zahlen.

Weiter so in der Politik ist keine Option
Gegen jede Vernunft setzen sich ökonomische Interessen allzu häufig gegen den Umweltschutz durch. Damit gefährden wir den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Viele Menschen sind sich der verheerenden Folgen dieses Verhaltens bewusst, fühlen sich aber ohnmächtig. Sie wissen nicht, wie sie effektiv handeln können, um es anders und besser zu machen. Was die Gesellschaft braucht, sind verbindliche Regeln, um dem zerstörerischen Konsumverhalten Grenzen zu setzen.
Erforderlich ist ein radikales Umdenken in der Politik. Die Politik muss Ressourcenverbrauch und Umweltbelastungen begrenzen und Reduktionsziele vorgeben, die dann zu Fixpunkten für Wirtschaft und Gesellschaft werden müssen. Dabei darf nicht das Wachstum der alles bestimmende Faktor sein, sondern der Schutz von Klima und Umwelt. Wir benötigen ein Wirtschaftssystem, das die planetarischen Grenzen respektiert und auch ohne Wachstum gut funktioniert. Zentrales Leitbild der Bundesregierung für eine nachhaltige Entwicklung müssen dabei die Entwicklungsziele der „Agenda 2030“ sein; dabei ist sicherzustellen, dass Wirtschafts-, Agrar-, Handels-, Umwelt- und Entwicklungspolitik aufeinander abgestimmt werden. Der Erfolg einer nachhaltigen Entwicklung hängt entscheidend von der Unterstützung der Kommunen ab.
Im „Generationen Manifest“, www.generationenmanifest.de, werden weitere Forderungen an die Bundesregierung gestellt, um den Bedürfnissen kommender Generationen Rechnung zu tragen.

Viel Zeit für eine Wende bleibt nicht. „Wir steuern im Irrsinnstempo auf eine unbeherrschbare globale Situation zu“, warnte der bekannte deutsche Klimaforscher Prof. Hans Joachim Schellnhuber. „Wenn wir nicht radikal umsteuern, fahren wir die Zivilisation an die Wand“. Oder um mit Erhard Eppler zu sprechen, viel Zeit bleibt nicht, um zu verhindern, dass „das Experiment Menschheit misslingt“.

Lüner Initiative gegen globale Armut/LIGA, Parkstr. 5, 44532 Lünen, Tel: 02306-370477, info@liga-luenen.de www.liga-luenen.de
Forum für Umwelt und gerechte Entwicklung/FUgE, Widumstr. 14, 59065 Hamm, Tel: 02381-41511, fuge@fuge-hamm.de www.fuge-hamm.org