31.03.2023: Film- und Musikforum OLINDA – Heartbeats of Brazil

Film- und Musikforum „Olinda“ mit Capoeira-Meister Kléber da Silva, Marcos A. da Costa Melo und Sambanda Girassol
Freitag, 31. März 2023, 19 Uhr, CVJM Hamm
Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei.

Kleber-Batista-da-SilvaWie vielerorts in Brasilien spielt in der Stadt Olinda der Karneval eine wichtige Rolle, da er Ausdruck von Freiheit, Widerstand und Protest ist. Es geht dabei auch um demokratische Kulturvielfalt, mit der gesellschaftliche benachteiligte Gruppen ihre Ängste und Hoffnungen zum Ausdruck bringen.
Olinda ist eng mit der Musik und Kultur der Region verknüpft. Indigene, afrikanische und europäische Einflüsse treffen hier aufeinander und ergeben einen einzigartigen Musik- und Tanzstil, wie z.B. Capoeira.
Vor der Filmvorführung „Olinda – Heartbeats of Brazil“ des Regisseurs Marco Keller präsentiert die Band Sambanda Girassol ihr Musikrepertoire.
Im Anschluss zum Film besprechen Capoeira-Meister Kléber sowie Dorothee und Manfred Pahl die Dokumentation und gehen der Frage nach, welche gesellschaftliche Kraft Capoeira und Samba in Deutschland und Brasilien haben. Abschließend diskutieren sie mit dem Publikum darüber, wie der kulturelle Austausch Rassismus entgegenwirken kann.
Die Moderation übernimmt Marcos A. da Costa Melo, FUgE Hamm.
Die Veranstaltung findet im Rahmen der Hammer Wochen gegen Rassismus 2023 statt.

Hintergrund
Der Legende nach nannten die ersten Siedler*innen, die nach Brasilien kamen, den Ort „das Wunderschöne“. Heute heißt die kleine Stadt im Bundesstaat Pernambuco, im Nordosten Brasiliens, Olinda und ist seit 1982 UNESCO Weltkulturerbe. Wie vielerorts in Brasilien spielt auch hier der Karneval eine wichtige Rolle. Musik hat für die Protagonist*innen der Dokumentation „Olinda“ etwas Spirituelles, aber auch etwas Politisches.
Regisseur Marco Keller begleitet 2018 mehrere Musiker*innen aus Olinda bei ihrem Alltag mit und für die Musik. Die öffentlichen Radios weigern sich, traditionelle Musik zu spielen. Zeca macht deshalb neben seinen Auftritten auch eigene Radiosendungen, um die Musik lebendig zu halten.

Sambanda-in-Muenster-2022Vor und nach der Veranstaltung präsentiert die Band Sambanda Girassol live ihre Musik. Dorothee und Manfred Pahl von der Samba-Band sowie Capoeira-Meister Kléber da Silva und Marcos A. da Costa Melo, die in Recife/Olinda aufgewachsen sind, besprechen dann den Film „OLINDA – Heartbeats of Brazil“ und gehen der Frage nach, welche gesellschaftspolitische Power Capoeira und Samba in Deutschland und Brasilien haben.

Kurzbericht zum Film- und Musikforum „Olinda“ im CVJM Hamm
Rund 40 Personen verfolgten mit viel Interesse und großer Neugier die faszinierende Vorstellung von Sambanda Girassol am Freitag, 31. März 2023, im CVJM Hamm. Nach der Filmvorführung „Olinda“ von Marco Keller sprachen Capoeira-Meister Kléber da Silva und Marcos da Costa Melo über die Freude und die Kulturvielfalt ihrer Heimatstadt aber vor allem über den Kampf für den Erhalt des indigenen und afrikanischen Musik- und Tanzstils im lokalen Karneval.
Über die traditionellen Rhythmen und Tänze aus dem Film „Olinda“ und die Vermischung mit afrikanischer Musik sagte Kléber da Silva: „Diese Integration durch Kultur und Musik ist von großer Bedeutung, denn sie bietet die Möglichkeit, die gesellschaftlichen Zwänge zu reflektieren und die Diskriminierung zu durchbrechen. Musik gibt uns die Chance, andere Orte und Menschen besser kennenzulernen“.
Impressionen

Eine Veranstaltung des Hammer Netzwerks rassismuskritische Arbeit:
Kommunales Integrationszentrum (KI) Hamm, FUgE, Werkstadt für Demokratie und Toleranz, Multikulturelles Forum, AWO und Zentrum für systemische Schulberatung (ZESS).

Logo_Promotoren-NRWMit der freundlichen des Promotor*innen-Programms für interkulturelle Öffnung im Regierungsbezirk Arnsberg und im Auftrag der Landesregierung NRW.

“Olinda”
Ein Kommentar von Kléber da Silva zum Film von Marco Keller

Eine Synthese (Vermischung, Synkretismus) in der populären Musik und Kultur
Die Musik der traditionellen Rhythmen und Tänze von Pernambuco und Olinda in Brasilien beruht auf einer Vermischung mit afrikanischer Musik. Zum Beispiel bei der Beschwörung und Anbetung von Göttern und mystischen Figuren des Candomblé und Umbanda.
Religionen afrikanischer Herkunft leben in den Praktiken und in den mystischen Vorstellungen der Menschen im brasilianischen Olinda weiter und finden ihren musikalischen Ausdruck in Folkloregruppen.
Durch dieses Umfeld lässt sich ein Großteil der langen Geschichte der Diskriminierung und Verfolgung von Menschen ablesen. Die meisten sind schwarz, leben Bescheiden und kommen meist aus armen Gemeinschaften.
Warum wird ein Schwarzer, der Schlagzeug auf der Straße spielt, als Landstreicher, Grasschmuggler oder Drogendealer bezeichnet? Man hört immer: „Geh arbeiten, das ist besser für Dich!
Eine weiße Person der oberen Mittelschicht hingegen wird meistens als schön, intelligent, studiert usw. bei uns angesehen.
Ich kann aber auch sagen, dass diese so genannten Weißen in der schwarzen Gemeinschaft selten diskriminiert werden oder Ablehnung der schwarzen Community erfahren. Sie sind in der schwarzen Gemeinschaft willkommen und werden mit großem Respekt behandelt. Ausnahmen gibt es nur bei weißen Menschen, die die Älteren und Meister/innen oder das religiöse und praktizierte Erbe respektlos behandeln.

Integration der Gesellschaft durch Musikkultur
Die Teilnahme an volkstümlichen Bewegungen und Gruppen gibt diesen Menschen ein Gefühl der Identität mit der lokalen Gemeinschaft und Gesellschaft. Die Menschen fühlen sich dort willkommen und respektiert.
Eine Gemeinschaft, die andere aufgrund ihrer Kleidung, Haare, sexuellen Orientierung oder Religion ausgrenzt, zerstört sich selbst.
Eine Gemeinschaft, die ein familiäres Band knüpft, indem sie sich häufig bei musikalischen, religiösen, spirituellen Veranstaltungen oder bei einem guten Gespräch auf den Straßen etwa, wie in Olinda trifft, schafft neue Allianzen. Und diese Verbindung ist sehr wichtig, denn sie bildet eine Familie, die gemeinsam gegen Diskriminierung kämpft.
Diese Integration durch Kultur und Musik ist von großer Bedeutung, denn sie bietet die Möglichkeit, die gesellschaftlichen Zwänge durchzubrechen. Musik gibt uns die Chance, andere Orte und Menschen besser kennenzulernen.
Diese Integration bringt neue Erfahrungen, die ohne Musik und den Bezug zur lokalen Volkskultur nicht möglich wäre.

Arbeit mit Kultur in Brasilien
Beth do Oxum, Tomboy, Zeca do Rolete, Loy, Tonho, Torrado und viele andere sind bekannte Protagonisten Olindas Kultur. Sie sind zentrale Gestalten der Capoeira und anderer lokaler kultureller Ausdrucksformen wie Frevó, Coco de Roda und Maracatú.
Alle diese populären Ausdrucksformen sind in der Stadt Olinda miteinander verbunden.
Die staatliche oder private Unterstützung für diese kulturellen Veranstaltungen ist sehr schwierig zu bekommen und scheitert oft an bürokratischen Hürden.
Durch die Liebe und den Willen zum Widerstand und der Stolz auf die Kultur wird die Stadt neu gebaut! – Und das werden wir selbst tun!
In Anlehnung an Dona Maria vom Amnesia Community Radio, wo der Slogan lautet: „Das Radio, das das Geld vergessen hat, aber nicht dich“.
Mit diesem Slogan wollte sie sagen: LECK MICH, WER KULTUR MACHT UND HANDELT STÄRKT DIE GEMEINSCHAFT.

Die Schlichtheit und Bescheidenheit der Meister der Populärkultur
Man sieht es den Gesichtern und dem Lächeln an. Man sieht es in der Demut und dem Lebensweg der zentralen Figuren an, dass es nicht einfach war. Aber man sieht auch eine große Frustration über die Behörden und Regierungen, wie sie mit diesen Menschen umgehen. Die Regierungen kommen und gehen ständig, und nichts ändert sich wesentlich.
Aber wie der Slogan sagt, „Das Radio, das das Geld vergessen hat, aber nicht dich“, sind diese Künstler und Künstlerinnen wie Kuchenteig, je mehr sie geschlagen werden, desto mehr wachsen sie.
Sie widersetzen sich und bekommen mehr Kraft, um weiterzumachen. Sie wissen, dass Widerstand das Wesentliche ist, wenn man Kultur mit Freude und für den lokalen sozialen Wandel betreibt.
Diese Menschen hauchen der Stadt Leben ein! Wo sie leben, leben die Musik, die Vielfalt, die Sonne und das Meer, aber auch die Herausforderungen der Hügel von Olinda.
Die kritische Pflege ihrer eigenen Geschichte, ihrer Herkunft und ihrer Vorfahren ist sehr wichtig für die Entwicklung einer bewussten Gesellschaft, denn ein Land, das seine Kultur nicht schätzt, ist ein Land ohne Gedächtnis, ohne Richtung und ohne Orientierung.