Interview mit Saúl Lluvia – FUgE-News 01/2024

Marcos A. da Costa Melo sprach mit Saúl aus Peru über die Klimaklage und was sie für ihn und die Menschen in Huaraz bedeutet.
In: FUgE-News Ausgabe 01/2024

saul-huaraz-gartenSaúl Luciano Lliuya – ein Andenbauer und Bergführer aus Peru – und mit ihm über 50.000 Bewohner*innen der Andenstadt Huaraz sind durch die Folgen der globalen Erwärmung akut von einer Flutwelle bedroht. Ein Gletschersee oberhalb der Stadt ist aufgrund der Gletscherschmelze bedrohlich angewachsen, ausgelöst durch die von den Menschen verursachten Erderwärmung. Eine Eislawine könnte den See überlaufen lassen und eine zerstörerische Flutwelle auslösen.

Luciano Lliuya hat im November 2015 vor dem Essener Landgericht mit Unterstützung von NGOs eine Klage gegen den Energiekonzern RWE eingereicht. Als einer der größten CO2-Emittenten Europas ist RWE mitverantwortlich für die Klimakrise und die Bedrohung durch die Flutwelle in Huaraz. Der Anteil des Konzerns an der Klimaerwärmung liegt bei 0,5 Prozent seit Beginn der Industrialisierung – und genau diesen Anteil fordert Luciano Lliuya von RWE für vorbeugende Maßnahmen an dem Gletschersee. Nachdem das Landgericht Essen die Klage nicht zugelassen hat, ging der Andenbauer in Berufung. Mit Erfolg, das Oberlandesgericht Hamm ließ die Klage zu und unternahm eine Reise nach Huaraz, um sich ein Bild zu machen. Eine Verhandlung wird in Kürze erwartet.

Wie lebst du?
Saúl Luciano Lliuya: Einen Teil des Jahres, im Sommer, arbeite ich als Wanderführer, die meiste Zeit bewirtschafte ich zusammen mit meiner Familie ein Stück Land. Wir bauen Kartoffeln, Mais und Gemüse an, haben einen Kräutergarten und viele Tiere, vom Huhn bis zu Rindern und Kühen.
Was für eine Rolle spielt der Klimawandel in deinem Leben?
Saúl: Besonders merke ich, dass der Klimawandel längst läuft, wenn ich mit Gästen wandern gehe. Die Berge, die Täler und damit die Wege haben sich verändert. Es gibt Routen, die kann ich nicht mehr gehen, es gibt ein paar Berge, die kann ich mit meinen Gästen nicht mehr besteigen. Der Grund: Es ist zu gefährlich geworden, die Zugänge sind wegen des Schmelzens der Gletscher instabil. Man weiß nicht mehr, welches Eis noch hält, es gibt mehr Spalten, man kann aber auch nicht mehr jeden Felsen betreten, weil sich auch hier der Untergrund ändert.
Als Landwirt merkst du den Klimawandel auch?
Saúl: Aber ja, genauso wie als Wanderführer. In unserem Tal fließt ein kleiner Fluss, und dessen Wasser wird immer weniger. Gleichzeitig leben aber mehr Menschen in dem Tal, die Wasser aus dem Fluss entnehmen. So wird es immer weniger und immer trockener. Es regnet seltener, aber starke Regenfälle haben zugenommen.
Bislang haben der Regen und die Gletscher die Felder genährt, und das berechenbar und regelmäßig, so dass die Pflanzen gut wachsen konnten. Jetzt brauchen wir Dünger und Ähnliches, um den Ertrag zu halten, denn der Regen kommt seltener und auch weniger regelmäßig. Es kommen mehr Insekten und stören die Ernte, nehmen uns etwas vom Ertrag. Außerdem entwickeln sich Resistenzen gegen Insektizide.
Schließlich ist die Temperaturhöher, die Sonne brennt mehr, es wird auch in dieser Höhe richtigheiß. Ich bekomme Sonnenbrand, das ist neu. Der Boden trocknet aus, und so trocknen auch die Pflanzenschneller aus.
Fluss-in-Huaraz_linksWeil du das alles wahrgenommen hast, hast du die Klage gegen RWE eingereicht?
Saúl: Ja, aber ich nehme noch mehr wahr. Die Gletscher, die ich von meinem Hof aus sehen kann, werden immer kleiner, immer weniger. Damit ist klar, dass auch Brocken abbrechen können und Schaden anrichten, und das ist ja der Kern der Klage gegen RWE. Man muss sich klar machen: Wir haben in Peru sehr wenig zum Klimawandel beigetragen, aber wir leiden jetzt schon darunter. Wir haben die Schäden und uns drohen Katastrophen. Ich finde, dass auch diejenigen verantwortlich gemacht werden sollen, die zum Klimawandel viel beigetragen haben. Deswegen habe ich die Klage eingereicht.
Kann man denn in Peru nichts bewegen?
Saúl: In Huaraz wenig. Aber in Lima gibt es Universitäten, gut ausgebildete, junge Menschen, die versuchen schon, etwas zu verändern. Aber sehen Sie sich die politische Lage im Land an, sie ist schwierig, der frühere Präsident wurde abgesetzt, und die neue Präsidentin ist für den Abbau von Rohstoffen, also für etwas, das dem Klima weiter schadet.
Wie geht es weiter?
Saúl: Meine Mutter fragt schon mal nach der Zukunft der Kinder, ich sage dann, dass schwierige Zeiten auf uns zukommen.