Die Ausstellung kann bei FUgE gegen eine kleine Gebühr ausgeliehen werden.
Marcos Antonio da Costa Melo, dacostamelo@fuge-hamm.de
Die A1-Ausstellung ist/war gebucht:
Mai-Juni 2026: Stadtbücherei Hagen
Sep.-Oktober 2025: Uni Kassel
Juli 2025: Afro-Ruhr Festival Dortmund
Juni 2025: Auslandsgesellschaft Dortmund
März-April 2025: Pauluskirche Hamm
April-Juni 2026: Stadtbücherei Hagen
Die Ausstellung ist eine Ansage gegen eine eurozentrische Geschichtsschreibung, die erzählt, dass am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg begann. Tatsächlich markiert dieses Datum den Kriegsbeginn in Europa. Bereits ab 1935 führte die faschistische Regierung Mussolinis mit rund 300.000 Soldaten aus Italien, Libyen, Eritrea und Somaliland einen Vernichtungskrieg gegen Äthiopien. Mit den o.g. afrikanischen Ländern herrschte die faschistische Regierung Italiens bei Kriegsbeginn über ein Kolonialgebiet, das um ein Vielfaches größer war als das eigene Land.
Zudem hatte Japan 1937 neben Korea bereits die Mandschurei besetzt und dehnte seinen Eroberungskrieg gegen China nach Süden aus. Die Kolonie Niederländisch-Indien (heute Indonesien) hatte die Größe Westeuropas. Die USA hielten die Philippinen und Inseln im Pazifik wie Guam und Hawaii Formosa (Taiwan) und die Mandschurei, die militärstrategisch bedeutsam waren.
Als der Zweite Weltkrieg begann, war Großbritannien die größte Kolonialmacht und verfügte über ein Imperium, das ein Viertel der Erde sowie ein Viertel der Weltbevölkerung umfasste und sich von Jamaika und Lateinamerika über Ostafrika und Indien bis nach Südostasien und in den Zentralpazifik erstreckte.
Großbritannien setzte im Zweiten Weltkrieg 11 Millionen Soldaten ein. Fünf Millionen kamen aus den Kolonien. Eine Million Soldaten unter britischem Kommando kamen aus afrikanischen Ländern. Indien stellte mit 2,5 Millionen Soldaten die größte Kolonialarmee der Geschichte.
Die französischen Kolonien in der Karibik, Nord- und Westafrika, Indochina, Melanesien und Polynesien waren zusammengenommen zwanzigmal größer als Frankreich und hatten mehr als 100 Millionen Einwohner.
Unter französischem Kommando dienten eine Million Kolonialsoldaten aus Afrika. Ohne sie wäre Frankreich damals kaum zur Siegermacht geworden.
Bei der Kapitulation Frankreichs im Juni 1940 landeten mindestens 60.000 Afrikaner in deutsche Kriegsgefangenschaft. Zudem diente über eine Million Afro-Amerikaner in den US-Streitkräften.
Afrikaner*innen aus den französischen oder englischen Kolonien, die den Einsatz verweigerten, drohten Geldbußen, körperliche Züchtigung oder Gefängnis. In Kenia leisteten 20.000 Männer Zwangsarbeit in Betrieben, die Sisal, Zucker, Gummi und Flachs produzierten. In Nordnigeria und im Kongo überlebten gerade 10.000 von über 100.000 Afrikanern, die Schwerstarbeit in Zinn- oder Uranminen ausführten. So kam das Uran für die Atombomben von Hiroshima und Nagasaki aus dem Kongo. Sie alle befreiten die Welt vom deutschen und italienischen Faschismus bzw. vom japanischen Großmachtwahn.
Es sind über 65 Bildtafeln, Landkarten und Audio-Interviews (siehe Hörstationen unten) mit Veteranen und Zeitzeug*innen aus Afrika, Asien und Ozeanien, die über Erfahrungen mit rassistischen Anfeindungen während ihres Einsatzes und ihrer Rekrutierung berichten. Es geht also um ein vergessenes Kapitel der Geschichte von über mehrere Millionen Kolonialsoldaten, die im Zweiten Weltkrieg Militär- und Arbeitsdienste für die Kolonialmächte freiwillig oder zwangsrekrutiert leisteten und nach der Rückkehr aus dem Krieg hofften, die versprochene Unabhängigkeit ihres Landes zu erhalten.
Nicht zuletzt berichtet die Ausstellung sowohl über hunderttausende Frauen aus Korea, China und Phillipinnen, die vergewaltigt oder als Zwangsprostituierte verschleppt wurden – u.a. 200.000 Frauen in japanische Militärbordellen, als auch über die Geschichte der Kollaborateure in den Ländern des Südens, die zusammen mit den faschistischen Achsenmächten aktiv am Holocaust beteiligt waren.
Die Gesamtausstellung ist digital zu sehen unter https://ausstellung.3www2.de
Die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ mit sämtlichen Bildtafeln als A1 sowie großen Weltkarten ist seit Juli 2025 bei FUgE auszuleihen.
Beim Interesse melden Sie sich bei Marcos A. da Costa Melo
per Mail: dacostamelo@fuge-hamm.de
Um einen Gesamtblick der Ausstellung siehe das Booklet im PDF-Format
unter https://3www2.de/wp-content/uploads/2025/03/3www2gerA4Broschfin.pdf
Artikel in kürzerer Version zu lesen unter FUgE news 1/2025 zu lesen
unter https://fuge-hamm.org/2024/12/01/fuge-news-ausgabe-01-2025
Hörstationen
Hörstation 1: Te Mikael Kidanemariam (Äthiopien)
Hörstation 1 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/01/
„Mein Vater war ein enger Berater des Kaisers Haile Selassie. Er kämpfte zusammen mit dem Kaiser in der Schlacht von Mai Ceu. Als er nach Hause zurückkehrte, war er verwundet, aber er hatte sein Gewehr und eine Menge Kugeln mitgebracht.
Er rief seine Söhne zu sich, so auch mich, und sagte: «Der Kaiser hat die Äthiopier aufgerufen, nicht aufzugeben. Sie sollten den italienischen Angreifern widerstehen, und auch er werde bald wieder dazu stoßen.» Ich war damals gerade zehn Jahre alt und meine älteren Brüder fragten: «Was, Du willst kämpfen?»
Aber meine Entscheidung stand fest, mein Vater gab mir sein Gewehr und ich schloss mich meinen Verwandten an, die in den Untergrund gingen, um in den Bergen gegen die Italiener zu kämpfen.
Unsere Strategie war wie folgt: Wenn die Italiener in großer Zahl angriffen, ließen wir sie bis tief ins Landesinnere hinein vorstoßen. Dort kreisten wir sie ein und besiegten sie. Dann zogen wir uns wieder zurück. Dabei versuchten wir jeweils, so viele Waffen und Kugeln zu erbeuten wie möglich, bevor wir uns erneut versteckten.“
Hörstation 2: Yoro Ba (Senegal)
Hörstation 2 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/02/
„Ich bin 1919 in Kew Djiby im Bezirk Sine Saloum im Senegal geboren. Die Franzosen sind 1940 auf der Suche nach Soldaten über die Dörfer gezogen. Sie haben sich dabei direkt an die Dorfchefs gewandt oder an die Chefs der Kantone und sich Namenslisten von jungen Männern geben lassen. Uns hat niemand gefragt. Wir mussten einrücken. Wären wir zu Hause geblieben, hätten sie uns vor Gericht gestellt und vielleicht erschossen. Ich erinnere mich noch an den Donner der Geschütze im September 1940. Damals drohte die Bombardierung der Stadt Dakar, aber niemand hatte uns erklärt, worum es bei diesen Kämpfen eigentlich ging. Wir wachten eines Tages auf, und die Vichy-Franzosen befahlen uns, an die Front zu gehen. Das war alles.
Bevor wir Dakar 1943 verließen, haben die Franzosen uns eine Spritze gegeben. Danach brauchten sie uns 24 Stunden lang kein Essen zu geben. Denn wir spürten keinen Hunger. Wir fühlten gar nichts. Bei Toulon lagen neun deutsche Divisionen und wir haben von morgens um sieben Uhr bis abends um sechs gekämpft, um sie zum Rückzug zu zwingen. Wir haben nicht wenige von ihnen aus ihren Schützengräben geholt und gefangen genommen. Viele von uns ließen dabei ihr Leben. Nach einer Schlacht gab es so viele Tote, dass Bulldozer und Bagger kamen, um ein Massengrab für all die gefallenen Senegalschützen auszuheben. Weiße und afrikanische Soldaten waren schon in der Ausbildung strikt voneinander getrennt. In der Armee kochten französische Köche für die Franzosen und Schwarze für die Tirailleurs. Die Toubabs, die Weißen, erhielten französisches Essen, alle anderen Maniok und Maisbrei mit Erdnusssoße. Noch auf dem Schlachtfeld waren wir Afrikaner benachteiligt. Ich weiß nicht mehr genau, wie hoch der Sold der europäischen Soldaten war, unserer war in jedem Falle geringer. Und manchmal haben sie nicht einmal das ausgezahlt, was sie versprochen hatten.“
Hörstation 3: Song über Resistance-Kämpfer Hady Bah
Hörstation 3 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/03/
Kurz zur Person: Addi Bâ Mamadou (*25. Dez. 1916 in Guinea – † 18. Dez. 1943 in Frankreich) gehörte während des Zweiten Weltkriegs zum Maquis des Vosges an und war bei den Deutschen als „der schwarze Terrorist“ bekannt. Als Frankreich Anfang September 1939 in den Zweiten Weltkrieg eintritt, meldet sich er als Freiwilliger zur französischen Armee. Am 18. Dezember 1943 wurde Bâ in Épinal zusammen mit dem Anführer des Maquis, Marcel Arburger, erschossen.
Hörstation 4: Samuel Masila Mwanthi (Kenia)
Hörstation 4 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/04/
„Schon in den Kasernen gab es getrennte Quartiere für europäische und afrikanische Soldaten. Wir waren in Baracken untergebracht und mussten auf einfachen Pritschen schlafen, ohne Matratzen, ohne Bettücher und ohne Kopfkissen.
Ich war Fahrer, durfte aber nur Lastwagen fahren, keine Personenwagen. Die waren europäischen Fahrern vorbehalten, denn darin fuhren die europäischen Offiziere. Afrikanische Offiziere gab es nicht.
Oft hatten wir nicht einmal Gewehre, sondern nur Macheten, auch im Dschungel von Burma. Die Japaner dort waren sehr geschickt. Sie versteckten sich in Erdgruben und packten uns an den Beinen. Aber schließlich haben wir sie besiegt. Mit unseren Macheten. Die waren in dem Fall besser als Gewehre. Wir haben ihnen mit den Macheten die Arme abgeschlagen.
Als der Krieg zu Ende war, gaben sie uns nicht mehr als ein farbloses Hemd mit auf den Weg nach Hause, dazu ein Khakishirt ohne Knöpfe, eine Decke, ein Paar Socken und ein Paar Stiefel. Sie zahlten uns den restlichen Sold aus und gaben uns etwas Fahrgeld und Reiseproviant für die Heimreise.
Alle Ex-Soldaten waren damals daran zu erkennen, dass sie zehn Cent mit aus dem Krieg brachten – gerade genug für eine Tasse Tee!“
Der Kontext der o.g. Hörstationen 1-4 ist zu verstehen unter Afrika
Hörstation 5: Hwang Kum-Ju (Südkorea)
Hörstation 5 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/05/
„Ich heiße Ham Kum-Ju und bin 83 Jahre alt. Mit 12 Jahren kam ich aus der Provinz in die Stadt Hamhung und mit 19 meldete ich mich auf einen Aufruf der Japaner. Es hieß, sie suchten Mädchen und junge Frauen als Fabrikarbeiterinnen. Mein Arbeitsplatz sollte in Jirin sein, in der Mandschurei. Die Japaner versprachen mir, dass ich nach zwei Jahren wieder in meine koreanische Heimat zurückkehren könnte.
Tatsächlich haben sie mich sechs Jahre dort festgehalten und Jahrzehnte lang habe ich mit niemandem darüber reden können, was ich damals erleiden musste. Ich habe meine Vergangenheit aus Scham nach dem Krieg verheimlicht. Wem hätte ich mich auch anvertrauen sollen? Nach Hause zurückkehren, kam nicht in Frage. Hätte ich meine Geschichte erzählt, hätten mich die Leute wie eine Aussätzige behandelt. Deshalb habe ich geschwiegen und auch nicht geheiratet. Erst als in den 90er Jahren Kim Hak-Sun, eine Leidensgefährtin, im Fernsehen auftrat und dazu aufrief, das Schweigen endlich zu brechen, brachte auch ich es fertig, an die Öffentlichkeit zu gehen. Alle Welt sollte erfahren, dass die Japaner Zehntausende junge Frauen mit Arbeitsangeboten gelockt, aber in ihre Militärbordelle verschleppt und viele von ihnen umgebracht haben. Die Japaner haben sich benommen wie Tiere, nicht wie Menschen. Möge der Himmel sie bestrafen.
Mir geht es nicht ums Geld. Meine verlorene Jugend lässt sich nicht wieder gut machen, aber so lange ich lebe, warte ich auf ein Schuldeingeständnis aus Tokio. Als Nordkoreaner vor einigen Jahren ein paar Japaner entführten und fünf von ihnen umkamen, machten die japanischen Behörden ein Mordsgeschrei und verlangten, Entschädigungen von Nordkorea für die Opfer. Dieselben japanischen Regierungsstellen wollen von den Zehntausenden jungen und unverheirateten Mädchen, die japanische Soldaten im Krieg missbraucht haben, nichts wissen und nichts hören. Sie warten einfach darauf, dass Frauen wie ich sterben.»
Hörstation 6: Remedios Gomez-Paraisa (Philippinen)
Hörstation 6 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/06/
„Ich komme aus Anao, einem Ort in der philippinischen Provinz Pampanga. Mein Vater war dort Bürgermeister, als die Japaner 1942 unser Land überfielen und allen Regierungsbeamten befahlen, sich zu ergeben und ihre Waffen abzuliefern. Mein Vater verweigerte diesen Befehl und versteckte sich. Doch er wurde verraten und geriet in die Hände der Feinde. Weil er es ablehnte, mit ihnen zu kollaborieren, folterten sie ihn zu Tode. Deshalb ging ich zusammen mit meinem Bruder in den Untergrund. Ich war damals noch ein Teenager. Wir verbargen uns am Fuß des Berges Arayat und begannen dort, die Landbevölkerung zu organisieren. Es gelang uns, eine Schwadron aufzustellen. Aber anfangs hatten wir nur eine einzige Waffe – die Pistole meines Vaters. So begann unser Kampf in der Hukbalahap.
Nach Anschlägen auf die japanischen Truppen flohen wir oft in die Berge. Dort lebten wir manchmal zwei, drei Tage oder auch eine ganze Woche nur von essbaren Pflanzen, die wir an Flussufern sammelten. Das war sehr hart und viele unserer Mitstreiter kamen um. Denn wir hatten keine Medizin, um Verwundete zu behandeln. Wir Überlebenden hatten einfach nur Glück. Aber wir kannten damals keine Furcht. Wir sahen es als unsere Pflicht an, unser Land zu verteidigen, als es in Not geriet. Und als die alliierten Truppen endlich landeten, hatten wir ihnen den Weg bereits frei gekämpft.
Wir hatten dauerhaften Frieden, wahre Demokratie und Gerechtigkeit erhofft. Aber nachdem wir so lange für die Befreiung unseres Landes gekämpft hatten, dauerte es nur wenige Monate, bis wir erkannten, dass sich unsere Hoffnungen nicht erfüllten. Deshalb kehrten wir in die Berge zurück, um weiter zu kämpfen.“
Der Kontext der o.g. Hörstationen 5-6 ist zu verstehen unter Asien
Hörstation 7: Haunani-Kay Trask (Hawaii)
Hörstation 7 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/07/
„Ich heiße Ham Kum-Ju und bin 83 Jahre alt. Mit 12 Jahren kam ich aus der Provinz in die Stadt Hamhung und mit 19 meldete ich mich auf einen Aufruf der Japaner. Es hieß, sie suchten Mädchen und junge Frauen als Fabrikarbeiterinnen. Mein Arbeitsplatz sollte in Jirin sein, in der Mandschurei. Die Japaner versprachen mir, dass ich nach zwei Jahren wieder in meine koreanische Heimat zurückkehren könnte.
Tatsächlich haben sie mich sechs Jahre dort festgehalten und Jahrzehnte lang habe ich mit niemandem darüber reden können, was ich damals erleiden musste. Ich habe meine Vergangenheit aus Scham nach dem Krieg verheimlicht. Wem hätte ich mich auch anvertrauen sollen? Nach Hause zurückkehren, kam nicht in Frage. Hätte ich meine Geschichte erzählt, hätten mich die Leute wie eine Aussätzige behandelt. Deshalb habe ich geschwiegen und auch nicht geheiratet. Erst als in den 90er Jahren Kim Hak-Sun, eine Leidensgefährtin, im Fernsehen auftrat und dazu aufrief, das Schweigen endlich zu brechen, brachte auch ich es fertig, an die Öffentlichkeit zu gehen. Alle Welt sollte erfahren, dass die Japaner Zehntausende junge Frauen mit Arbeitsangeboten gelockt, aber in ihre Militärbordelle verschleppt und viele von ihnen umgebracht haben. Die Japaner haben sich benommen wie Tiere, nicht wie Menschen. Möge der Himmel sie bestrafen.
Mir geht es nicht ums Geld. Meine verlorene Jugend lässt sich nicht wieder gut machen, aber so lange ich lebe, warte ich auf ein Schuldeingeständnis aus Tokio. Als Nordkoreaner vor einigen Jahren ein paar Japaner entführten und fünf von ihnen umkamen, machten die japanischen Behörden ein Mordsgeschrei und verlangten, Entschädigungen von Nordkorea für die Opfer. Dieselben japanischen Regierungsstellen wollen von den Zehntausenden jungen und unverheirateten Mädchen, die japanische Soldaten im Krieg missbraucht haben, nichts wissen und nichts hören. Sie warten einfach darauf, dass Frauen wie ich sterben.“
Hörstation 8: Bert Beros/Asina Papau/Ovivi Arau (Neuguinea)
Hörstation 8 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/08/
„Ich war noch nicht geboren, als der Krieg begann. Meine Eltern heirateten am 2. Januar 1942, unmittelbar nach dem Angriff auf Pearl Harbor. Da galt schon der Ausnahmezustand und alle ‚guten Amerikaner’ waren aufgefordert, sich zum Kriegsdienst zu melden, auch die Hawaiianer. Mein Vater folgte dem Aufruf. Weil in den US-Streitkräften im Zweiten Weltkrieg strikte Rassentrennung herrschte, wussten sie zunächst nicht, wohin mit den Hawaiianern. In die rein schwarzen Einheiten passten sie nicht. Denn sie waren nicht schwarz. Aber zu den weißen Einheiten gehörten sie auch nicht, denn die Weißen sahen in den Polynesiern Schwarze, die bei ihnen nichts zu suchen hatten. Deshalb gründeten die US-Streitkräfte für die Hawaiianer schließlich eine Sondereinheit.
Erst auf den Schlachtfeldern spielte diese Form von Apartheid keine Rolle mehr. Denn im Tod waren alle gleich. Viele Hawaiianer sind gefallen, sehr viele. Mein Vater nicht. Er hatte Glück und kehrte zurück. Er engagierte sich als Anwalt gegen den Rassismus in den US-amerikanischen Streitkräften und in der Gesellschaft Hawaiis. Aber über den Krieg wollte er nicht reden, weil er zu viel Schreckliches erlebt hatte.“
Hörstation 9: Biuku Gasa (Salomon-Inseln)
Hörstation 9 unter https://ausstellung.3www2.de/audio/09/
„Die Japaner tauchten als Erste hier in der Gegend von Munda auf. Alle rannten damals davon, flohen in alle Himmelsrichtungen. Ich ging nach Gizo, um mich als Scout zu melden, als Kundschafter. Zusammen mit meinem Freund Aaron Kumasi war ich nach einer Patrouille auf dem Rückweg nach Gizo, als wir ein Boot entdeckten, das auf dem Riff am Eingang der Lagune zerschellt war. Wir paddelten auf die nächstgelegene Insel zu und wollten dort gerade an Land gehen, als plötzlich ein Mann unter den Bäumen hervor an den Strand trat. Er rief uns zu: «Hey, hey, come, come!». Aber wir stießen rasch wieder vom Ufer ab, denn wir dachten, er sei Japaner. Da rief er: «Hey, wenn ihr Scouts seid, kennt ihr bestimmt John Kari, oder?» John Kari kam aus meinem Dorf und war auch Küstenwächter. So wussten wir, dass wir Freunde getroffen hatten. Es waren Amerikaner, insgesamt neun Mann. Wir sagten, sie müssten sich vorsehen, denn wir hätten auf einer benachbarten Insel einen weiteren Mann erspäht, der wahrscheinlich Japaner sei. Aber sie entgegneten: «Nein, nein, das ist kein Japaner, das ist unser Kapitän auf der Suche nach Wasser! Kennedy!» Als Captain Kennedy mit seinem Boot in die Bucht vor Kolombangara eingelaufen war, hatte er nicht bemerkt, dass ihm ein japanischer Zerstörer folgte. Und so machte es ‹rumms›! Die Japaner schossen ihre Torpedos ab und versenkten Kennedys Boot. Zwei Männer der Besatzung kamen um. Die restlichen elf retteten sich auf eine kleine Insel am Eingang der Vonavona-Lagune. Dort haben wir sie gefunden. Wir kletterten auf Palmen, um Kokosnüsse für sie herunterzuholen, schlugen sie auf und gaben sie ihnen, eine davon auch Kennedy. Er sprach ein wenig Pidgin-Englisch und wollte, dass wir eine Botschaft zu seinen Leuten brächten. Aber es gab kein Papier. Da sagte ich zu ihm: «Warum schreibst du deine Nachricht nicht auf die Haut einer Kokosnuss oder – wie ihr Weißen sagt – auf die Schale?» Kennedy war so begeistert von der Idee, dass er meinen Kopf in seine Hände nahm und fragte, wie ich nur darauf hätte kommen können. Dann ritzte er mit einem Messer die Botschaft in die Kokosnuss: «Elf von uns haben überlebt. Die zwei Eingeborenen wissen, wo wir sind. Wir brauchen ein Boot. Sie können euch führen.» Er bat uns, diese Nachricht nach Rendova zu bringen. Aber niemand dürfe uns sehen. Wenn die Japaner auftauchten, sollten wir die Kokosnuss über Bord werfen. Wir ruderten 60 Kilometer weit nach Rendova, wo viele Amerikaner waren, und führten sie zurück zu der Insel. So haben wir Kennedy das Leben gerettet. Und das ist das Ende der Geschichte.„
Der Kontext der o.g. Hörstationen 7-9 ist zu verstehen unter Ozeanien
Hörstation 10: Alice Cherki (Algerien)
Hörstation unter https://ausstellung.3www2.de/audio/10/
„Als das Vichy-Regime 1940 die Macht übernahm, sympathisierte ein bedeutender Teil der europäischen Siedler in Algerien mit Pétain. Sie setzten schnellstmöglich die Gesetze der Kollaborationsregierung von Vichy um, wozu es in Algerien keinerlei Notwendigkeit gab. Juden wurden aus öffentlichen Ämtern entlassen, ihr Hab und Gut beschlagnahmt und jüdische Kinder durften nicht mehr zur Schule gehen. Auch rechtschaffene jüdische Händler, die sich nie mit Politik befasst hatten, wurden in Lager eingewiesen.
Ich erinnere mich noch gut an die Zeit, auch wenn ich damals gerade erst drei Jahre alt war. Eines Tages schickte mich eine Erzieherin aus dem Kindergarten nach Hause – weil ich Jüdin sei. Ich habe sie gefragt: ‹Madame, was bedeutet es, eine Jüdin zu sein?› Denn mit drei Jahren verstand wirklich noch nichts von alledem. Sie antwortete: ‹Jüdin zu sein heißt, große Augen zu haben, einen großen Mund und große Ohren – so wie Du!“
Der Kontext der o.g. Hörstation 10 ist zu verstehen unter Judenverfolgung außerhalb Europas