von Kurt Damm und Marcos A. da Costa Melo
In: FUgE news 1/2025 zu lesen
unter https://fuge-hamm.org/2024/12/01/fuge-news-ausgabe-01-2025
Was ist von der COP30 in Belém zu erwarten? Wofür und für wen treffen sich da 50.000 bis 70.000 Teilnehmer*innen? Was bedeutet die COP30 für Brasilien und für den Amazonas, für die Klimadebatte und die bereits vorhandene Klimakrise? Eins steht fest: Belém, die Hauptstadt des brasilianischen Amazonasstaates Pará, wird 2025 Gastgeber der COP30 (Conference oft the Parties) sein. Die UN-Klimakonferenz wird vom 10. bis 21. November 2025 dort stattfinden.
Es gibt viele Gründe, die gegen die Klimakonferenzen sprechen. Die letzten COPs, COP28 in Dubai/Emirats und COP29 in Baku/Aserbaidschan waren enttäuschend. Solche Staaten als Austragungsorte_ sorgten für einen zunehmenden Einfluss der fossilen Lobby und Rückschritte der Klimaverhandlungen, da sie durch die Förderung von Rohöl und Raffinieren reich geworden sind und keine Interessen an einer großen Transformation haben.
Einerseits gibt es viele Hoffnung, dass wirkungsvolle Klimamaßnahmen wegen des ernsthaften Engagements der brasilianischen Regierung zustande kommen. Nach dem Präsidenten Lula da Silva soll es nicht eine weitere COP sein, sondern ein Wendepunkt in den internationalen Klimaverhandlungen. Es entsteht die hervorragende Gelegenheit, um Amazonien in das Zentrum der globalen Klimadebatten zu stellen und vor allem Gebiete Indigenen zuzusprechen, wie Marquinho Mota aus dem Fórum da Amazônia Oriental (FAOR) betont.
Andererseits verursachen solche Konferenzen enorme CO2-Emissionen für Baumaßnahmen und Reisen sowie Aufnahme der Delegierten aus aller Welt. Belém, eine Stadt von ca. 2 Millionen Einwohnern und umgeben von Wasser, ist mit ihrer mangelhaften Infrastruktur, von Müllabfuhr, Busstationen und Hafen in der Guajará Bucht für die Aufnahme von über 70.000 Menschen für zehn Tage mehr als überfordert. 
Skepsis gibt es vor allem bei den betroffenen Indigenen und traditionellen Gemeinschaften Brasiliens, die berechtigte Angst vor dem Verlust der Souveränität über ihre Gebiete haben, da ihre Territorien etwa für die exportorientierte Agrarwirtschaft wie Soja oder Mais und den Bau von Wasserkraftwerken direkt oder indirekt ausverkauft werden können. Darüber hinaus möchten die Landes- und Bundesregierungen durch den Emissionsrechtehandel Mega-Projekte für den Bau von Wasserkraftwerken, Eisenbahn oder die Erdölförderung an der Mündung des Amazonas vorantreiben.
Die Idee des Emissionsrechtehandels, sprich Kompensation, wurde durch den Klima-Mechanismus REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) und den Artikel 6 des Pariser Klima-Abkommens von 2015 zu einem Grundbestandteil der globalen Klimapolitik ausgebaut. Dieser Ausgleich für die ausgestoßenen Treibhausgase durch Emissionszertifikate lenkt von den Alternativen zu Reduktion von CO2 im globalen Norden ab und fördert das „Weiter so“ mit unserem klimazerstörenden Lebensstil.
Durch den Emissionsrechtehandel bekommen die Landes- und Bundesregierungen Brasiliens, insbesondere der Gouverneur des Amazonasstaates Pará, Helder Barbalho, Finanzmittel für Investitionen für den „Schutz“ sensibler Ökosysteme wie den Regenwald. Gerade im Amazonasstaat Pará entstehen neue Landstraßen nach Belém und eine breite Wasserstraße entlang des Flusses Tocantins für den Export von Soja und Mineralien. Zudem gibt es Schlupflöcher bei der Vergabe von Emissionszertifikaten, da es kaum Transparenz der Klimaprojekte gibt. Die Messungen der Emissionen vor allem der landwirtschaftlichen Aktivitäten sind unzureichend. Dabei wird der Cerrado, ein artenreiches Savannengebiet in Binnenland Brasiliens, als schutzwerte Region vernachlässigt.
Aus der Sicht der Menschen der traditionellen und indigenen Gemeinschaften hat die internationale Klima- und Energiepolitik starke Auswirkungen direkt auf ihren Alltag. „Das Volk stirbt. Der Amazonas stirbt. Uns geht die Kraft aus!“, fasste Filipe Gabriel Mura, Sprecher der Mura-Indigenen in Soares/Urucurituba/Amazonas, die Situation seiner Leute zusammen. „Wir, die durch unsere Lebensweise für den Schutz des Klimas und der Biodiversität bekannt sind, werden angegriffen und vertrieben. Infrastrukturprojekte, aber auch Bergbauaktivitäten zur Förderung von Mineralien und Rohstoffen, die für den Energiewandel benötigt werden, bedrohen unser Überleben“, so Mura.
Ein eindeutiges positives Merkmal in der Diskussion über die Klimakonferenz ist aus der Sicht der Basis-Bewegungen der „Gipfel der Völker“ (Cúpula dos Povos), der parallel zur COP30 in Belém stattfinden wird. Es ist ein Bündnis von indigenen Völkern und traditionellen Gemeinschaften, u.a. Flussanrainern, Kautschuk- oder Paranüsse-Sammler*innen. Bei dieser Parallelveranstaltung der sozial ökologischen und antirassistischen Kräfte sollen diejenigen zu Wort kommen, die auf der COP eigentlich nicht gehört werden. Seit 2023 bereitet ein Kollektiv diesen Event im Großraum Belém mit dem Ziel vor, ihre Mobilisierungskraft zu stärken und ihre Positionen zu Umwelt, Lebensstil und Demokratie besser im Alltag der Menschen der brasilianischen Gesellschaft zu verankern. Der Gipfel der Völker hat v.a. die Hoffnung, das Thema Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt der Verhandlung zu bringen.
Anmerkung:
Zum Hintergrund der Entwaldung und Umweltpolitik Brasiliens seit 2022 empfehlen wir die Broschüren „AUF DEM WEG ZUR COP30 IN BRASILIEN“ der Forschung und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika – FDCL unter https://www.fdcl.org/publikationen
Fotos von Kurt Damm