Saúl Luciano Lliuya, Bergführer, Bauer und Klimakläger
Germanwatch-Kompakt vom 20.03.2025
In: FUgE news 1/2025 zu lesen
unter https://fuge-hamm.org/2024/12/01/fuge-news-ausgabe-01-2025
Zwei intensive Verhandlungstage am Oberlandesgericht Hamm liegen hinter mir – und nun heißt es warten. Die Richter:innen haben mitgeteilt, ihre Entscheidung am 14. April 2025* zu verkünden. Dann erfahren wir, ob RWE für das Flutrisiko haftbar gemacht werden kann, dem meine Familie und ich in der peruanischen Andenstadt Huaraz ausgesetzt sind. Dabei geht es nicht nur um uns – es geht um ein deutliches Signal.
Großemittenten müssen Verantwortung übernehmen
Ein Gletschersee oberhalb meiner Stadt ist durch die Klimaerwärmung bedrohlich angewachsen. Eine Lawine oder Eis- und Felsabbrüche könnten jederzeit eine Flutwelle auslösen – mit verheerenden Folgen für tausende Menschen. In meiner Klage fordere ich, dass RWE entsprechend seiner Emissionsmenge die anteiligen Kosten für die erforderlichen Schutzmaßnahmen in Huaraz übernimmt.
Zwischen abstrakten Zahlen und meiner täglichen Realität
Die Verhandlungen waren geprägt von Diskussionen über wissenschaftliche Modelle und Szenarien. Meine Anwältin hat mit Unterstützung renommierter Wissenschaftler dem Gericht das Flutrisiko dargelegt. Doch während im Gerichtssaal über Zahlen gesprochen wurde, musste ich immer wieder an meine Familie und mein Zuhause denken – ich sehe die Bedrohung täglich mit eigenen Augen und bin sehr besorgt.
Die Klage hat bereits Druck erzeugt
Mich erfüllt mit Freude, dass das Oberlandesgericht Hamm bei den Verhandlungen bereits bestätigt hat: Große Unternehmen können grundsätzlich für Klimarisiken haftbar gemacht werden. Ein großer Erfolg! Ich hoffe, dass das Gericht das Flutrisiko für Huaraz anerkennen und in einem nächsten Schritt die Verantwortung von RWE klären wird.
Globale Nachbarschaft in der Klimakrise Neben der Gerichtsverhandlung habe ich in Deutschland mit vielen Menschen über Klimagerechtigkeit gesprochen und überwältigende Unterstützung erfahren. Medien weltweit berichten über die Klage. Besonders berührt hat mich die Solidarität derjenigen, die nach Hamm gekommen sind – darunter Luisa Neubauer und viele Mitglieder des Forums für Umwelt und gerechte Entwicklung. Auch die zahlreichen Videobotschaften aus aller Welt geben mir Kraft. Mit großer Dankbarkeit spüre ich: In der Klimakrise sind wir alle Nachbar*innen, egal wie weit entfernt wir voneinander leben.
* Der ursprünglich für den 14. April 2025 angesetzte Verkündungstermin wurde vom OLG Hamm auf den 28. Mai 2025, 10.00 Uhr, verlegt.
Rückblick auf die Entscheidung der Klimaklage am 28. Mai 2025 vor dem OLG Hamm
von Marcos A. da Costa Melo
Am 28. Mai 2025 fand die letzte Runde der Verhandlung der Klimaklage vor dem Oberlandesgericht Hamm statt. Es gibt aus unserer Sicht viele Gründe zu feiern, obwohl Saúls Klage abgewiesen wurde – die Begründung des Gerichts: Sein Haus wäre bei einer durch das Gletscherschmelzen verursachten Schlammlawine in einer fernen Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach nicht betroffen. Der Vorsitzende Richter des 5. Zivilsenats am OLG Hamm, Dr. Rolf Meyer, urteilte aber auch, dass große CO2-Emittenten für die Folgen des Klimawandels haftbar gemacht werden können. Saúls Anwältin Dr. Roda Verheyen kommt daher zu dem Schluss: Das Urteil ist ein Meilenstein und wird Klimaklagen gegen fossile Unternehmen und damit der Abkehr von fossilen Brennstoffen weltweit Rückenwind geben.
Das Urteil hat also die Signalwirkung, dass solche Unternehmen stärker auf Klimaschutz achten müssen, bevor sie ihre fossilbasierten Geschäftsgehabe vorantreiben.
Vor diesem Hintergrund hat Saúls Klimaklage Geschichte geschrieben, worüber sich Saúl am 28. Mai glücklich zeigte: „Heute haben die Berge gewonnen – auch wenn es in meinem Fall nicht weitergeht, hat meine Klage Wichtiges erreicht. Das macht mich stolz: Große Verursacher der Klimakrise müssen für die Folgen Ihres Tuns einstehen, können rechtlich haftbar gemacht werden.“
Wie sensibel die Situation in Huaraz tatsächlich ist, zeigte sich am 29. April. Nach anhaltendem Regen gab es oberhalb der Stadt einen Erdrutscht, bei dem zwei Menschen, darunter ein Baby, ums Leben kamen und viele Menschen verletzt wurden.
Siehe https://www.americatv.com.pe/noticias/actualidad/dos-muertos-y-desaparecido-dejo-caida-huaico-ancash-n505848
IMPRESSIONEN

ONLINE-Einordnung der Klimaklage
