01.12.2020: Eukalyptus-Monokultur in Brasilien

Eukalyptus-Monokultur, ländliche Gemeinden und Wasserknappheit – ein Beispiel aus Brasilien
Claudia Kasten und Guilherme Miranda*
FUgE-News Ausgabe 03/2020

Wasser bedeutet Leben. Diesem Satz wird wohl jeder zustimmen. Und doch besteht die große Sorge vieler, dass es in Zukunft Kriege um dieses lebenswichtige Gut geben wird. Immer häufiger wird sauberes Trinkwasser knapp, weil Industrien und Firmen das Wasser für ihre Produktion benötigen oder der Zugang zu Wasser privatisiert wird. Dabei ist der Zugang zu Wasser ein Menschenrecht, welches nicht monetarisiert werden darf. Wer das nötige Geld hat, hat Zugang zu Wasser und kann es möglicherweise sogar speichern. In Europa gibt es immer wieder Initiativen, die die Privatisierung von Wasser verhindern. In anderen Regionen der Welt ist dies der Zivilgesellschaft nicht gelungen.

Im Jequitinhonha-Tal im brasilianischen Bundesstat Minas Gerais ist der Zugang zu Wasser bereits zu einem großen gesellschaftlichen Problem geworden. Das Obertal der semiariden Region wird von Höhlen und flachen Hochebenen mit tiefen Tälern geprägt. Die typisch brasilianische Landschaft des „Cerrado“, die den afrikanischen Savannen oder Buschsteppen ähnelt, wies in der Vergangenheit eine große Artenvielfalt auf. Aufgrund seiner Quellgebiete war diese Region ein fruchtbares Land mit gutem Zugang zu Wasser, obwohl es lange und sehr heiße Dürreperioden von etwa acht Monaten pro Jahr gibt. Der Zugang zum Wasser war gemeinschaftlich von den dort lebenden Familien geregelt und die Landwirtschaft naturnah und darauf bedacht, das natürliche Ökosystem nicht zu stören.

In den 1970er Jahren veränderte sich der Zugang zur Region drastisch. Nachdem sich zunächst die Regierung von Minas Gerais viele Hochebenen mittels des staatlichen Unternehmens „Acesita“ aneignete, wurde das Unternehmen 1992 privatisiert und 2001 mit europäischen Unternehmen zur europäischen Firma „Arcelor“ zusammengeschlossen. Diese wurde fünf Jahre später Teil der Mittal Steel Company, einem indischen Stahlkonzern. Mit diesem Zusammenschluss wurde einer der größten Stahlkonzerne der Welt geschaffen, die ArcelorMittal. 2011 wurde dann die alte „Acesita“ aus der „ArcelorMittal“-Gruppe herausgelöst, wodurch die „Aperam“ entstand.

Seit der „Übernahme“ der Hochebenen in den 1970er Jahren breitet sich hier eine massive Eukalyptus- Monokultur aus und verdrängt einheimische Baumarten. Von den rund 250.000 Hektar (etwa die Größe des Saarlands) gehört rund die Hälfte dem Unternehmen „Aperam Bionergia“. Während Eukalyptus in anderen Landesteilen vor allem als Rohstoff für die Papierindustrie angebaut wird, wird der Eukalyptus aus dem Jequitinhonha-Tal in der Stahlindustrie „verheizt“ und ersetzt Kohle. Da Holz als nachwachsender Rohstoff gilt, gibt er der Stahlproduktion einen „grünen“ Anstrich. Doch der Eukalyptusanbau hat grundlegende Folgen für die Menschen in der Region, denn es handelt sich um eine schnellwachsende Baumart, die vor allem in Australien und Ozeanien beheimatet ist. Außerhalb dieser Region ist sie problematisch, da sie aufgrund ihrer ätherischen Öle weder anderen Pflanzen noch Tieren und Insekten einen Lebensraum bietet.
Zudem haben die Bäume einen enormen Wasserverbrauch und eine große Verdunstung, die in etwa drei bis vier Mal so hoch ist wie bei einheimischen Arten. Zwanzig Jahre nach der Einführung dieser Monokultur versiegen die Quellen und Bäche, womit die drastischen Auswirkungen sichtbar werden.

Eine Studie in der Region zeigt eine Reihe von Herausforderungen auf, die bewältigt werden müssen. So trocknen derzeit die natürlichen Wasserquellen aus. Dies führt wiederum zu einer Reduzierung der Quellgebiete und damit zu einer strukturellen Wasserknappheit. Selbst nach einem guten Regenjahr sprudeln die Quellen nicht wieder. Lediglich in der Regen- und Überschwemmungszeit führt der Fluss mehr Wasser. Die Untersuchung zeigt, dass es Familien gibt, die nur 43 Liter Wasser pro Person und Tag zur Verfügung haben. Dies hat Auswirkungen auf die häusliche Landwirtschaft und damit auf das Einkommen. Doch niedriges Einkommen bedeutet auch einen verminderten Zugang zu Wasser, denn ohne natürliche Quellen sind sie von den Wasserlieferungen der Stadtverwaltung abhängig. Ein Teufelskreis für die Familien. Mit der Renaturierung der Quellen sind jedoch jahrzehntelange Maßnahmen zum Schutz und der Wiederherstellung der Umwelt verbunden. Gleichzeitig muss heute bedacht werden, wo eigentlich das Wasser für die Wasserwagen herkommt und wer die Kosten für die Pflege übernehmen kann. Eine schnelle Lösung ist hier nicht in Sicht, zumal zuerst der politische Wille zur Veränderung vorhanden sein muss.
Es zeigt sich: Die Hochebenen sind ein äußerst empfindliches und wichtiges Ökosystem für die gesamte Region. Es wäre daher von grundlegender Bedeutung, über ihre soziale und ökologische Nutzung für die soziale Entwicklung der gesamten Gesellschaft nachzudenken. Es kann nicht im Sinne des Gemeinwohls sein, wenn eine Hochebene der exklusiven Nutzung durch ein einziges Unternehmen vorbehalten bleibt und die umliegenden Gemeinden ausschließt.

Neue Kampagne gestartet
Seit Jahrzehnten verfolgen zivilgesellschaftliche Organisationen mit Sorgen die weltweiten sozio-ökologischen Auswirkungen der Eukalyptusmonokultur. Vor diesem Hintergrund mobilisiert sich gerade ein Netzwerk aus zivilgesellschaftlichen Organisationen aus Brasilien, Deutschland, der Schweiz und Italien, um eine internationale Kampagne zur Sensibilisierung der Bevölkerung und von internationalen Organisationen über die sozio-ökologischen Auswirkungen der Eukalyptus-Monokultur auf das Leben ländlicher Gemeinden mit Schwerpunkt auf dem Jequitinhonha- Tal zu organisieren. Das Ziel ist, die ökologischen, wirtschaftlichen und gesundheitlichen Auswirkungen dieser Monokultur auf die Bevölkerungsgruppen zu verringern, und vor allem jene marginalisierten Bevölkerungsgruppen zu unterstützen, die am meisten unter den Auswirkungen der „grünen Wüste“ leiden.

Die Kampagne kann auf ihrem Blog verfolgt und unterstützt werden: https://campanhainternacional.wordpress.com/fotos
*Dieser Artikel basiert auf dem Aufsatz: „Eukalyptus-Monokultur, ländliche Gemeinden und Wasserknappheit“ Eine Fallstudie in der Region der Chapada das Veredas im Jequitinhonha-Tal (Brasilien)
Verfasser: Valmir Soares de Macedo, Flávia Maria Galizoni, Emília Pereira Fernandes da Silva, Vico Mendes, Erick José Simão de Paula, Alan Oliveira dos Santos. Siehe: www.kooperationbrasilien.org/de/publikationen/brasilicum/266-alternativen-zumindustriellen-agrarmodell