Marcos Antonio da Costa Melo
FUgE-News Ausgabe 03/2020
Die Herausforderungen hin zu einer interkulturellen Öffnung im Regierungsbezirk Arnsberg sind seit Juli 2020 mit dem Ausbruch der Covid-19 größer geworden. Trotz der guten Vernetzungsarbeit mit Akteuren aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein, Kreis Unna, Kreis Soest und Hagen waren die geplanten Ausstellungen, Schulprojekte, Vorträge und Film-Foren mit O-Tönen von Migrantinnen und Geflüchteten nicht durchführbar. Die zweite Jahreshälfte war somit von den Hinweisen „abgesagt“ und „verschoben“ geprägt. Schmerzhaft waren u. a. die Absagen des Forums „Afrika oder der Versuch, einen Kontinent zu verstehen“ mit Bartholomeus Grill, der Vortragsreihe mit Martin Dziersk und Micha Ende mit dem Blick auf Wertstoff-Sammlerinnen auf Müllkippen in Brasilien, China und Indien sowie der Kinderlesung „Wer fragt den Löwen nach der Uhrzeit!“ mit Hermann Schulz.
Ähnliche Erfahrungen machten die Interkulturpromotor*innen aus den Regierungsbezirken Detmold, Düsseldorf, Köln, Münster und Ruhrgebiet.
Vor diesem Hintergrund konzentrierte sich die Vernetzungsstelle im RB Arnsberg auf die Unterstützung und Beratung der migrantischen Akteure und Geflüchteten bei ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement und ihrer Vereinsstruktur, meistens bei der Antragstellung und Abrechnung von Projekten. Zu nennen sind die Programme „Demokratie leben“, „Interkultur Fonds“, Förderungen aus RB Arnsberg oder KOMM-AN NRW.
Einzelne digitale Fortbildungen und Workshops, aber auch Präsenz- Veranstaltungen mit strengen Abstandregelungen, konnten jedoch in Hamm, Lünen und Lippstadt stattfinden.
Rückblick auf ausgewählte Interkultur-Aktivitäten im zweiten Halbjahr 2020:
15.09.2020: Das Abendgespräch „Gewalt gegen Frauen hier und weltweit“, das im Rahmen der Interkulturellen Woche in der VHS stattfand, war für die ca. 30 Gäste bedrückend wegen der steigenden Zahl der Fälle von häuslicher Gewalt und zugleich hoffnungsvoll wegen der starken Frauen, die das Thema anprangern und sich gut vernetzen. Hervorragend war der Bericht von Sarah Gaber (2.v.r.) über die Situation des Frauenhauses in Hamm. Sie sprach die lange Leidensgeschichte der betroffenen Frauen an und wies auf die sehr begrenzten Plätze für Frauen in Not hin. Anne Böse (4.v. l.) berichtete stellvertretend für Arline Rüther über das engagierte Netzwerk des Internationalen Frauen- Forums (IFF) in Hamm und Angelica Garcia (3.v. l.) über ihre Beratungsarbeit zu Gewalt gegen Frauen im Rahmen der Stillkurse für spanischsprachige Frauen in Düsseldorf. Amanda Luna Tacunan (3.v. r.) kam wegen eines Feueralarms nicht mehr zu Wort. Sie wird über Öko-Feminismus und Frauen-Empowerment in Lateinamerika und im Rheinland im April 2021 in der VHS Hamm sprechen.
Die Gesamtaufnahme des Abendgesprächs ist nachzuhören unter www.fuge-hamm.org/2020/03/15/abendgespraech-zu-gewaltgegen-frauen
18.09.2020: Muhammad Waqas (rechts) stand im Mittelpunkt des Interviews auf der Fair Friends Messe in Dortmund, wo er über Menschenrechtsverletzungen der Sportballindustrie in Pakistan berichtete. Er sprach über die Zwänge, die zu Kinderarbeit führen, und sein Familienleben in seiner alten Heimat. Zwischen seinem 9. und 15. Lebensjahr nähte er zu Hause und in den Ballfabriken Sialkots. Seit 2018 ist er bei FUgE als Referent zu Pakistan und Kinderarbeit ehrenamtlich aktiv.
29.09.2020: In Zusammenarbeit mit dem Multikulti-Forum und FUgE fand eine Gesprächsrunde zum Wim Wenders-Film „Das Salz der Erde“ mit Marcos A. da Costa Melo in Lünen statt. Der Film zeigt das Leben und die Arbeit von Sebastião Salgado. Vor der Filmvorführung berichtete Marcos da Costa Melo für ca. 18 Interessierte über das Engagement und die Werke Salgados, die die Geschichte der Konflikte, Kriege und Vertreibung der letzten Jahrzehnte dokumentieren. Eine Veranstaltung des Multikulti- Forums in Kooperation mit FUgE Hamm.
29.10.2020: In der Veranstaltung „Von den Wundern auf Reisen“ las Hermann Schulz aus seinem Buch „Das Mädchen, das mit den Krokodilen spielte“, das erst 2021 erscheinen wird. Im Roman geht es um die Geschichte von Teresa, die als Tochter eines Ehepaars aus Togo vor dem 1. Weltkrieg in Wuppertal geboren wurde. Später wirkte sie mit in der rassistischen Völkerschau, einer zooartigen Zurschaustellung, die ihre Blütezeit in Europa zwischen 1870 und 1940 hatte. Ein Mitschnitt der Lesung ist zu hören unter www.fuge-hamm.org/2020/04/29/von-den-wundern-auf-reisen
Joseph Mahame, der Hermann Schulzs Lesung an diesem Abend mit ugandischer Percussion begleitete, erzählte zu Beginn des Abends aus seinem eigenen Repertoire ein Märchen zu „Nalukuma“ aus seiner Heimat: „Nalukuma ist seit Kurzem mit dem wunderschönsten Mann, den eine Frau sich vorstellen kann, verheiratet. Er hat ein gutes Herz und die beiden können sehr gut miteinander. Jedoch kann er ihr das Wichtigste im Leben nicht geben. Sie wird zunehmend traurig und ihr Mann verliert sein Gesicht in der Gemeinschaft. Sie kann und will die Blicke der Dorffrauen, Freunde und Verwandten nicht mehr ertragen. Sogar die zwitschernden Vögel auf den Bäumen gehen ihr auf die Nerven. Worüber soll man sich noch freuen? Nach vielen schlaflosen Nächten wird es ihr klar. Sie muss etwas Außergewöhnliches wagen, damit ihr Glück vollkommen wird. Sie bringt ihren Mann dazu, mit ihr den Weg durch den gefährlichsten Wald des Dorfes zu Fuß zu gehen. Zudem gibt es diesen Fluss voller Krokodile, den sie überqueren müssen, um ihren Plan auszuführen…“ Spannend wird das Märchen weitererzählt und das Publikum erfährt langsam mehr und mehr Geheimnisse, wie mutig das Glück des Lebens geschmiedet wird. Nichts wird sie auf diesem Weg zurückhalten…
Das Interkultur-Programm ist ein Modellprojekt, das von der Landesregierung NRW in Kooperation mit dem Eine-Welt-Netz NRW im Juli 2017 initiiert wurde.