01.07.2021: Rückblick auf die Interkultur im RB Arnsberg

Januar bis Juni 2021 (aus der FUgE news 1/2021)
von Marcos A. da Costa Melo

BNE und die Bedeutung der interkulturellen Öffnung
Vielseitig zeigte sich das Interkulturprogramm zwischen Januar und Juni 2021. Im Januar startete es mit einem Zoom-Workshop zu Erfahrungen in der Umweltbildung mit Geflüchteten. Mahmoud Ez Aldin aus Syrien und Oumar Diallo aus Guinea referierten über Umweltschutzseminare, die sie seit 2017 für FUgE im Auftrag der Stadt Hamm durchführen. Hauptzielgruppe sind Geflüchtete, die Wege aus der Wegwerfgesellschaft kennenlernen und für einen nachhaltigen Umgang mit Wasser, Gas und Strom sensibilisiert werden. Sie sprachen über die zahlreichen Besonderheiten des deutschen Pfandsystems und des ÖPNV, aber auch die Bedeutung der interkulturellen Öffnung in der Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE). Ähnlich verlief das Abendgespräch über Migrant*innen in der Bildungsarbeit in Deutschland, das am 1. Juni online stattfand und in dem Amanda Luna aus Peru, Guilherme Miranda aus Brasilien und Elyas Sadeg aus Afghanistan über ihre Erfahrung als Multiplikator* innen in Schulen berichteten. Sie sprachen offen über ihr Verständnis der interkulturellen Öffnung, die Herausforderungen und Erfolgsfaktoren der Einsätze als BtE-Referent*innen (Bildung trifft Entwicklung).

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Mediterranean Hope und die fairen Bio-Orangen
Im Februar 2021 setzte der Interkulturpromotor die Unterstützung der Initiative Mediterranean Hope durch den Verkauf von Bio-Orangen der Genossenschaft SOS Rosarno fort. Mediterranean Hope organisiert Vermittlungen von Wohnungen und Jobs, Verteilung von Lebensmitteln und Kleidung, Beratung für Geflüchtete bei Behörden und vor allem Rettungsaktionen im Mittelmeer. SOS Rosarno betreibt Bio-Gemüse- und -Orangen in Süditalien und setzt Geflüchtete aus Afrika und Osteuropa als Erntehelfer*innen ein, die Tariflöhne, Sozialbeiträge und Fahrtkosten erhalten. Bei konventionellen Betrieben erhalten Flüchtlinge meistens keinen Arbeitsvertrag und leben direkt auf den Plantagen unter erbärmlichen Wohnbedingungen ohne Strom und Kanalsystem. Sie verdienen als Saisonarbeiter*innen maximal 25 Euro für mehr als zehn Stunden Arbeit pro Tag.
Die Kiste Orangen von SOS Rosarno verkaufte der FUgE-Weltladen für 30 Euro, sodass pro Kiste fünf Euro als Spende an Mediterranean Hope ging. Zwei Tonnen (224 Kisten) wurden zwischen Dezember 2020 und März 2021 verkauft, was eine Spendensumme von 1.120 Euro brachte.
Mit dem Verkauf der fairen Bio- Orangen konnten der Weltladen und FUgE faire Handelsalternativen aufzeigen, aber auch eine breite Öffentlichkeit erreichen, die eine differenzierte Sicht von Flucht und Migration nach Europa bekommen hat: Es sind nicht nur die hoffnungslos überladenen, alten und baufälligen Boote aus Afrika, die das Mittelmeer überqueren. Es gibt auch andere Geflüchtete, die unter menschenunwürdigen Lebensbedingungen auf zahlreichen Obst- und Gemüse-Feldern in Europa arbeiten. Diese Öffentlichkeitsarbeit, d. h. Abendgespräche zur kritischen Lage von Geflüchteten in Italien mit Dr. Gilles Reckinger, Buchautor von „Bittere Orangen“, zum Film „Das Neue Evangelium“ sowie der Verkauf der fairen Bio-Orangen, fand in Zusammenarbeit mit der Ev. Kirche Westfalen statt.

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Rassismuskritik in Gesellschaft und Schule
Die Veranstaltungsreihe der internationalen Wochen gegen Rassismus, die im März 2021 online stattfand, stärkte die Zusammenarbeit und Vernetzung zwischen den Schulen und der Interkulturarbeit des Netzwerks in Hamm und Region. Dies geschah dank der intensiven Zusammenarbeit zwischen der Interkulturstelle, dem Kommunalen Integrationszentrum (KI), dem Zentrum für systemische Schulentwicklung (ZESS) und der WerkstaDT für Demokratie und Toleranz. Nennenswert waren die Vorträge und Workshops „Islam im Kontext Schule“ mit Elif Gömleksiz und Larina Kleinitz, „Erinnern ohne und mit Zeitzeug*innen“ mit ZWEITZEUGEN e.V., „Rassismuskritik in Gesellschaft und Schule“ mit Prof. Karim Fereidooni und abschließend „Islamistischer Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus“ mit Saba-Nur Cheema. Diese Workshopsreihe wird im Juni 2021 mit der Aktionswoche gegen antimuslimischen Rassismus 28.06. bis 01.07.2021, fortgesetzt und soll weiterhin Schüler*innen und Lehrkräfte für Ausdruckformen von Diskriminierung und Rassismus sensibilisieren, sich aber auch mit Fluchtursachen und globalen Zusammenhängen auseinandersetzen.

Brücke zu den Betroffenen aus dem globalen Süden
Ein Höhepunkt der Interkulturarbeit in der Region war das Panel „Klima-, Eine-Welt- und Friedensbewegung“ der Initiative Bund für soziale Verteidigung (BSV), das am 20. März online stattfand. Die Reflexion über die Rolle der internationalen Zusammenarbeit und der lokalen Netzwerke stand im Mittelpunkt des Panels zwischen Michael Nagel (Fridays for Future Hannover), Clara Tempel (Junepa) und dem Interkulturpromotor. Wertvoll war die Diskussion über interkulturelle Öffnung in den sozialen Bewegungen, da Interkultur eine wichtige Brücke zu den Betroffenen aus dem globalen Süden schlägt. Ein Fazit der Veranstaltung war: Stimme von Geflüchteten und Gästen aus dem globalen Süden. Sie erweitern die Perspektiven der Klima- und Friedensbewegung und trugen zu einer weltoffenen Sicht unserer Gesellschaft bei. In dieser Richtung der Stärkung des Nord-Süd-Dialogs verlief auch das Online-Gespräch „Ernährungssicherung in Krisenzeiten in Brasilien“, das vom Interkulturpromotor in Kooperation mit der AG Brasilien und dem Eine Welt Netz am 13. März im Rahmen der Landeskonferenz NRW stattfand. Paulo Roberto Czekalski von der brasilianischen Beratungsagentur für Agrarfragen, Assesoar, berichtete über erfolgreiche Wege der kleinbäuerlichen Betriebe im Süden Brasiliens, die beispielhaft ökologische Landwirtschaft und regionale Vermarktung in der Region vorantreiben. Diese Struktur der Lebensmittelversorgung ist jedoch wegen der Ausdehnung der exportorientierten Soja-Monokultur in Brasilien besonders in Gefahr. Die Diskussion über die Folgen der EU-Mercosur-Abkommen rückte in den Mittelpunkt des Online-Gespräches.

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Dialog-Forum zur kommunalen Entwicklungszusammenarbeit (EZ) die Afrika-Diaspora
Am 26. März 2021 starteten Yes Afrika und FUgE Hamm das erste Zoom-Meeting über kommunale Entwicklungszusammenarbeit zwischen lokalen Akteuren der EZ und der afrikanischen Diaspora in Hamm. Nach einer Vorstellungsrunde der teilnehmenden NGOs aus Hamm, die Hilfsprojekte in verschiedenen Ländern Afrikas vorantreiben, stellte der Verein Yes Afrika sein Verständnis der Partizipation der lokalen afrikanischen Diaspora sowie sein Projekt Empowerment von Afrikaner*innen und lokalen Bürger*innen zur kommunalen Entwicklungspolitik in Hamm vor. Fortgesetzt wird dieses Dialog-Forum mit weiteren Gesprächsrunden mit der Verwaltung und dem Rat der Stadt Hamm im zweiten Halbjahr 2021 mit dem Ziel, einen kommunalen Beirat zu EZ zu gründen.

Zur Lage der Frauen und Menschenrechtsverletzungen
Eindrucksvoll und inspirierend waren die O-Töne der Aktivistinnen bei den Online-Foren zur „Frauenbewegung in Lateinamerika und im östlichen Europa“ am 22. April mit Katharina Kühn (FUgE Hamm) und Amanda Luna Tacunan (Mamakiya e.V.) sowie zur Lage der Frauen und Menschenrechtsverletzungen auf den Philippinen am 20. Mai 2021 mit Arline Rüther (Internationales Frauen-Forum – IFF Hamm), Christina Keppel (Aktionsbündnis Menschenrechte – Philippinen), Mirjam Overhoff (philippinenbüro e.V.) und Anne Böse (Arbeitsgemeinschaft Hammer Frauenverbände). In den beiden Foren befassten sich die Referentinnen mit den Hintergründen des wachsenden Populismus und den unterschiedlichen Formen des Widerstands gegen patriarchale Strukturen in der betreffenden Region sowie hier in Deutschland.
Diese Foren setzten die Vortragsreihe über „Gewalt gegen Frauen hier und weltweit“ fort und finden in Kooperation mit Amnesty International (Hamm), Diakonie Ruhr-Hellweg, Flüchtlingshilfe, FUgE, Gleichstellungsstelle der Stadt Hamm, dem Internationalen Frauen-Forum (IFF), dem Kommunalen Integrationszentrum, Multikulturellem Forum (MkF) und der VHS Hamm statt.

Kinderarbeit und Fluchtursachen
Zu nennen ist auch der Infostand mit der Torwandaktion für Kinder und Jugendliche, die am 10. Juni 2021 im Innenhof der Stadtbücherei Lippstadt in Kooperation mit der lokalen Fairtrade-Town-Steuerungsgruppe stattfand und an dem der Interkulturpromotor mit dem Jugendlichen Muhammad Waqas mitwirkte. Im Vordergrund der Mitmach-Aktion standen die Gespräche mit Muhammad, der aus Pakistan 2015 geflüchtet ist und seit 2018 Workshops über Kinderarbeit und Fluchtursachen in den Grundschulen und Kindergärten im RB Arnsberg durchführt. Acht von zehn handgenähten Fußbällen kommen aus seiner Heimatstadt Sialkot. Es werden rund über 40 Millionen Bälle im Jahr dort produziert. Ohne ausbeuterische Kinderarbeit wäre es kaum möglich. Muhammad sprach mit den Gästen der Aktion über Zwänge und Not, die zu ausbeuterischer Kinderarbeit bei ihm und in seiner Familie führten. Zwischen seinem 9. bis 14. Lebensjahr hat er fast ununterbrochen zu Hause und in den Fußballfabriken Bälle genäht. Nach einer elf Monate langen Odyssee zu Fuß kam er im Sommer 2016 in Deutschland an, wurde 2017 in einer liebevollen Pflegefamilie aufgenommen und schließt im Sommer 2021 erfolgreich seine Ausbildung als Erzieher ab. Vielen Dank für Deinen Einsatz, Muhammad!!!

Das Interkulturelle Promotor* innen-Programm wird von der Landesregierung NRW gefördert.
Weiteres dazu unter www.fuge-hamm.org/portfolio/interkultur-arbeit-im-rb-arnsberg